Fireside

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Interview: Steve Winkler

Es gibt in Berlin einen Eishockeyverein, den EHC Eisbären. Bei diesem spielt ein schwedischer Verteidiger namens Rikard Persson und Fireside sind eine seiner absoluten Lieblingsbands. Da stellt sich mir die Frage, ob du wiederum ein Eishockeyfan bist?
Kristoffer Aström: War ich früher, als ich noch zu Hause wohnte. Jetzt wohne ich in Stockholm, das sind 1.000 km bis nach Hause. Daher kann nicht oft zu den Spielen gehen. Ich gehe zu den Spielen, wenn sie gegen Mannschaften aus Stockholm spielen, aber leider gibt es momentan nur noch einen Erstligaverein in Stockholm, nämlich Djurgarden.
Mir wurde erzählt, dass die populärste Sportart in Schweden nicht Eishockey, sondern Fußball ist, sich die Leute da aber weniger die schwedische Liga interessieren, sondern vielmehr um die englische Premier League. Fast jeder Schwede soll Fan eines englischen Vereins sein, stimmt das?
Ja, ich selbst war als Kind auch so, war ein Arsenal-Fan. Ich habe aber inzwischen das Interesse an Fußball verloren. Wenn ein Spiel im TV kommt, schaue ich mir das an. Ich mag den Sport, aber ich bin kein Fan eines bestimmten Vereins, im Gegensatz zu vielen meiner Freunde. Das Problem bei Fußball ist, dass Leute, die sich früher auch für Eishockey und andere Sportarten interessierten, sobald sie Fußballfans werden, ihr Interesse an anderen Sportarten komplett verlieren.
In Schweden seid ihr Stars und hier zumindest auf dem besten Wege dahin ...
Nicht wirklich, dabei waren wir schon sehr oft hier, haben im Prinzip jedes Jahr eine Tour gemacht. Wir hatten einen gewissen Erfolg mit "uomini d’onore", aber danach haben wir "elite" veröffentlicht und das war halt nicht das, worauf das deutsche Publikum zum damaligen Zeitpunkt abfuhr.
Produzentenlegende Rick Rubin hat euch, wenn die Legende stimmt, persönlich für sein Label American Recordings gesignt. Wie kam es denn dazu?
Ein bei American Recordings arbeitender Schwede, der wiederum mit jemandem von unserer schwedischen Plattenfirma befreundet war, hörte unser Album und spielte es dann Mr. Rubin vor. Rubin schickte den Typ dann nach Schweden, damit er uns live in Augenschein nimmt. Das hat er getan und wir bekamen umgehend einen Vertrag. Kurze Zeit später spielten dann einen Showcase-Gig in Miami, bei dem auch Rick Rubin im Publikum war. Die Legende erzählt, er habe geweint!
Euer letztes Album "elite" war für euch eher ungewöhnlich, ihr habt da mit Sounds und Elektronik experimentiert. Das neue Album klingt nun wieder so, wie man Fireside schon von früheren Platten kannte, "back to the roots" sozusagen. War das eure Absicht?
Absolut. Mit "elite" haben wir versucht, uns vom Hardcore- und Emo-Core-Image zu verabschieden, womit wir ständig in Verbindung gebracht wurden. Wir standen nie auf Hard- und Emo-Core und wollten auch nie damit in Verbindung gebracht werden. Sondern einfach nur eine Rockband sein. "elite" war der Versuch eines Statements nach der Devise: "Schaut her, wir können auch ganz anders!"
Wie waren denn generell die Reaktionen damals auf "elite"?
Nicht so gut. Manche Leute liebten es, aber die meisten hassten die Platte. Es gibt sogar eine Website im Internet namens "Fireside before Elite". Das ist ein Typ, der eine Fanpage machte und total sauer über "elite" war, das Album hasste, woraufhin er seine Fan-Page umbenannte und nichts mehr mit uns zu tun haben wollte. Vielleicht überlegt er es sich jetzt ja wieder anders.
Ihre geltet gemeinhin als Vertreter der schwedische Hardrock- und Emo-Core-Szene. Ich selbst kenne mich in dieser musikalischen Ecke nicht sehr gut aus. Kannst du mir ein wenig mehr über diese Szene erzählen?
Wir selbst standen nie auf die schwedische Hardcore-Szene. Ich weiß nicht, was diese Leute heutzutage treiben, und habe erst recht keine Ahnung, was sie gemacht haben, als wir anfingen. Wir wohnten ja im Norden Schwedens, da oben ist die Szene, zu der wir gehörten, sehr klein und überschaubar. Rock, Indie-Pop, Hardcore, das war alles eins. Es gibt in Lulea eine Band namens The Bear Quartet, falls du die kennst, das sind Freunde von uns. Wir sind oft mit ihnen aufgetreten. Es gab da keine Abgrenzung zwischen Hardcore und Indie-Pop. Es war alles eine große Szene. Naja, nicht groß, eher klein. Wenn man live spielen wollte, musste man sich halt andere Bands suchen und so gab es immer eine wilde Mischung ganz unterschiedlicher Bands.
Inwieweit hat eure Heimatstadt Lulea Einfluss auf eure Musik?
Kann ich selbst nicht beurteilen. Lulea ist sehr kalt, es gibt viel Schnee. Ich weiß aber nicht, ob das Auswirkungen auf unsere Musik hatte. Wahrscheinlich schon, aber ich weiß nicht warum, oder wie genau sich dieser Einfluss auswirkte. Aber es muss unsere Musik schon irgendwie beeinflusst haben.
Viele Leute, die in kleineren Städten aufwachsen, sehen Popmusik ja auch als Möglichkeit, auszubrechen, der "small town boredom" zu entfliehen ...
Nicht in meinem Fall. Ich bin im Prinzip nur den anderen gefolgt, als diese nach Stockholm zogen. Bei den anderen hat dieser Aspekt vermutlich schon eine Rolle gespielt, aber bei mir war es eher so: "Ihr zieht nach Stockholm - OK, dann komme ich halt auch mit."
Ich wollte lieber in Lulea bleiben. Warum, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich hatte ich Angst davor, meinen kleinen, sicheren "Schoß" zu verlassen. Leute aus kleinen Städten neigen dazu, besonders viel Lokalpatriotismus zu entwickeln, aber trotzdem wollen die meisten wegziehen - komische Sache. Ich liebe meine Heimatstadt, aber ich würde da sicher nicht wieder hinziehen.
Kannst du mir ein wenig über eure Arbeitsweise verraten, wer schreibt die Musik, wer die Texte, wie entstehen die Songs etc.?
Ich habe das Interesse am Songschreiben bei Fireside verloren. Das überlasse ich den anderen, dem Bassisten und dem Gitarristen. Beide schreiben die meiste Musik. Ich habe für das neue Album nur einen Song beigesteuert und der hat es nicht einmal auf die Platte geschafft. Aber zumindest schreibe ich die Texte und die Arrangements erarbeiten wir alle gemeinsam. Es ist nie so, dass jemand einen komplett fertigen Song anbietet, sondern es sind immer nur Riffs oder Akkorde. Das schmeißen wir dann im Probestudio alles zusammen.
Die Musik, die du mit Fireside machst, unterscheidet sich ganz deutlich von der, die du solo mit deiner Band Hidden Truck machst ...
Stimmt. Andererseits, wenn du dir manche der Fireside-Songs anhörst - das hätte ohne weiteres auch Hidden Truck-Songs werden können, umgekehrt genauso. Die beiden Projekten liegen also gar nicht so weit auseinander. Für die Hörer vermutlich schon, aber nicht für mich. Der größte Unterschied ist der beim Live-Spielen. Es ist viel bequemer, einfach nur dazustehen oder gar zu sitzen und die Akustik-Gitarre zu spielen, statt loszurocken und wild umher zu springen.
Gibt es denn Fans, die beide Bands/Projekte mögen, z. B. zu Konzerten von sowohl Fireside als auch zu deinen Solo-Gigs kommen?
Mein letztes Soloalbum war sehr erfolgreich. Aber trotzdem gibt es auch viele Fans von Fireside, die über meine Soloaktivitäten total sauer sind. Die schreiben mir dann Briefe, in denen sie mich auffordern, endlich mit diesen "Kaspereien" aufzuhören und mich wieder auf die "wahre Sache" zu konzentrieren.
Gibt es denn in Stockholm eine funktionierende Rockszene? Treffen sich die Mitglieder von Bands untereinander und gehen zusammen was trinken oder hilft sich sonst gegenseitig?
Eigentlich nicht. Die Sache ist nur die, dass es in Stockholm nicht sehr viele Orte gibt, wo man hingehen kann. Und so kommt es, dass letztlich alle immer im selben Laden enden. Man trifft sich also schon, aber das ist eher Zufall. Wir gehen nicht gezielt miteinander weg. Zumindest ich nicht, und ich glaube, die anderen Bands auch nicht. Aber es gibt halt nur einen Ort, wo man hingegen kann, wenn man eine Band sehen und ein paar Bier trinken will, und da enden halt letztlich alle.
Wie ist denn die Clublandschaft so in Stockholm?
Die momentane Situation in Stockholm ist miserabel. Ich kenne nur drei oder vier Clubs, die bis 03 Uhr auf haben, die anderen Bars machen alle schon um Mitternacht zu. Bist du in einer solchen Bar, die um zwölf schließt, und willst dann noch weiter ausgehen, bis 03 Uhr eben, hast du keine Chance, weil die Schlangen vor diesen Clubs riesig sind, man also gar nicht mehr rein kommt. Also geht man nach Hause. Oder aber man geht, um in einen dieser lang geöffneten Clubs hineinzukommen, schon Abends um 21 Uhr los und ist dann am Ende natürlich völlig besoffen.
Für euer zweites Album "do not tailgate" (1995) habt ihr damals den schwedischen Grammy in der Kategorie "Hardrock" erhalten. Welchen Stellenwert hat denn so ein Preis in Schweden, und wie wichtig sind dir solche Ehrungen?
Der Preis hat kaum Bedeutung. Die Letzte Preisverleihung wurde nicht mal im Fernsehen gezeigt. Im Jahr zuvor (2001) war ich mit meinem Album "northern blues" in der Kategorie "Best Male Pop Album" nominiert. Ich habe zwar nicht gewonnen, war aber auf der Veranstaltung und hatte daran gar kein Vergnügen. Es war einfach nur grauenhaft.
Auf eurem neuen Album gibt es ein Stück namens "backwards over germany". Was hat es damit auf sich, hast du ein spezielles Verhältnis zu Deutschland?
Letztes Jahr habe ich viel Zeit in Deutschland verbracht. Ich betrachte Deutschland inzwischen als meine zweite Heimat. Es ist schön, zu sehen, wie sich das hier entwickelt. Jedes Mal, wenn ich hier war, kamen mehr Leute zu den Konzerten, wenn ich einen Monat später wiederkam, waren es wieder ein paar mehr. Es passierte etwas und ich hatte fast immer viel Spaß. Eigentlich überall in Deutschland, aber ganz besonders in Berlin. Ich hatte auch mal die Gelegenheit, ein paar Tage in Berlin abzuhängen, Leute zu treffen. Das war wirklich super. Aber der Song, den du ansprichst, hat gar nichts mit Deutschland zu tun, es ist einfach nur ein Name.
Na gut, wie sieht es denn dafür bei "criminals are us" aus, ist wenigstens dieser Song autobiografisch?
Der Titel hat mit dem eigentlichen Song nichts zu tun. Der Song an sich ist eine Art Statement. Wir fordern darin die Leute auf, weiter gegen die Schweinehunde dieser Welt zu kämpfen!


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