The Hidden Cameras

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The Hidden Cameras

Interview: Steve Winkler

Spielt ihr bei euren Konzerten mit religiöser Symbolik?
Joel Gibb: Ja schon, aber auf mehreren Ebenen. Zum einen bei den Texten, die kirchliche Metaphorik enthalten. Zum anderen sind unsere Konzerte so angelegt, dass sie Gottesdiensten ähneln. Wir haben z.B. einen Overhead-Projektor. Paul, mein bester Feund, mit dem ich auch aufgewachsen bin, wirft beim Tanzen die Hände in die Luft. Das ist so eine Art Hommage an Gottesdienste. Außerdem verwenden wir auch Fahnen. Die Idee hinter dieser Sache ist, dass ich lieber etwas anderes nachahme, als so aufzutreten, wie es Indie-Rock-Bands üblicherweise tun. Diese sind meist extrem langweilig, vor allem live. Ich selbst will auch keine Konzerte sehen, wo die Band mit dem Rücken zum Publikum steht und sich gar nicht um selbiges kümmert. Dann ahme ich doch lieber etwas nach, was aufregend ist, wie z. B. einen Gottesdienst. Die meisten Gottesdienste sind viel spannender als Indie-Konzerte, was ich eigentlich ziemlich traurig finde. Üblicherweise gibt es zwischen Kirche und Indie-Rock eine strikte Trennlinie, so, als ob diese beiden Dinge überhaupt nicht miteinander zu vereinen wären. Ich hingegen denke, dass es auf gewisse Weise machbar ist.
Schreibst du gezielt Songs für ein gewisses Publikum?
Allein die Möglichkeit, dass wir vor einem rein heterosexuellen Publikum spielen könnten, wird von mir schon ignoriert. Ich ignoriere prinzipiell alles, was heterosexuellen Männern wichtig ist. Ich habe immer versucht, aus einer Perspektive zu schreiben, die für schwule Männer interessant ist oder vielleicht auch für Frauen. Songs für schwule Männer und Frauen - warum nicht? Wenn ich also einen Song mit dem Titel music is my boyfriend" schreibe, schließe ich damit automatisch alle heterosexuell orientierten Männer aus und das auch in voller Absicht. Allerdings auch alle Lesben, bei denen ich mich hiermit entschuldige.
Wie ist es um die Musikszene in Toronto bestellt?
Ich werde immer wieder nach der Musikszene in Toronto gefragt und ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal, ob es eine solche überhaupt gibt. Es gibt in Toronto schon eine Menge Bands, darunter auch viele gute, aber was exakt macht eine Szene aus? Szenen sind doch meist nur Erfindungen der Medien.
Ihr tretet auch oft in Kirchen auf. Warum?
Weil es halt eine bessere Variante ist, als in Bars zu spielen. Erstens ist es nicht sehr teuer, eine Kirche zu mieten. Zweitens bekommt man als Veranstalter die komplette Kohle. Man muss sich auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, wieviel Umsatz an der Bar gemacht wird, im Gegensatz zu Konzerten in Bars, wo der einzige Zweck von Konzerten der ist, den Umsatz zu steigern. Und dann bekommt man am Ende vielleicht 300 Dollar, was ein Witz ist, dafür, dass man in einem ekligen, dreckigen Loch aufgetreten ist. Was dazu auch noch aussieht wie die Hölle - alle Wände schwarz gestrichen, sobald man sich hinsetzt, klebt einem irgendwelcher Scheiß am Arsch, die Einlasser sind unfreundlich ... Kurz gesagt: Hölle ist genau die richtige Metapher dafür! Fiese Typen an der Tür, die einen einschüchtern, und Halsabschneider, die einem viel zu wenig bezahlen. Ich klinge vielleicht etwas zynisch, aber genau so läuft es ab, zumindest in Toronto. Wenn man aber seine Konzerte selbst organisiert, dann kann man die Leute an der Tür selbst aussuchen. Man kann dafür z. B. seine coolsten Freundinnen auswählen, die freundlich und nett zu den Leuten sind. Und es gibt überhaupt keine Rausschmeißer, vor denen man sich fürchten müsste. Das ganze Drumherum ist so komplett anders als in Bars. Man hat so viel Platz. Die Umgebung, die man seinem Publikum bietet, kann sich ganz dramatisch auf das Konzert auswirken. Allerdings bedeutet es auch viel mehr Arbeit, solche Shows zu organisieren.

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