Beulah

Beulah

>> back
 

Beulah

Interview: Steve Winkler

Stimmt es, dass ihr euch schon 1994 gegründet habt, es euch also jetzt schon 10 Jahre gibt?
Miles Kurosky: Nein, das war 1997. 1994 habe ich Bill kennengelernt, aber die Band haben wir erst 1997 gegründet, also vor 7 Jahren. Aber ob nun 7 oder 10 Jahre, es gibt uns jedenfalls schon ziemlich lange. Aber halt noch nicht 10 Jahre, Gott sei Dank noch nicht 10 Jahre!
Ich habe gelesen, dass ihr beide auch anfangs überhaupt nicht leiden konntet...
Wir haben uns auch, als wir dann in der Band zusammen spielten, nicht besonders gemocht. Wir haben uns halt irgendwie aneinander gewöhnt. Wir sind wie Salz und Pfeffer, aber wenn man uns zusammen auf das Omelett namens Beulah streut, dann ergibt das die richtige Würze. Wir haben damals als Botenjungen gearbeitet, unsere Aufgabe war es, die Post von einem Schreibtisch zum anderen weiterzuleiten, das war ein grauenhafter Job. Ja, im Postraum, da hat die großartige Geschichte von Beulah begonnen.
"yoko" ist bereits euer 4. Album, trotzdem habt ihr bisher noch nie in Deutschland gespielt?
T3: Nicht bis zu unserem Konzert in Hamburg letzte Woche, das war unser erstes Konzert hier in Deutschland. Wir waren zwar vorher schon 4 mal in Europa, aber immer nur in Großbritannien und den Benelux-Staaten, wo wir bei Festivals wie Lowlands und Pukkelpop auftraten. Ich denke, das lag daran, dass wir bei einem englischen Label unter Vertrag waren, und die Engländer ignorieren den (europäischen) Kontinent halt gerne. Sie konzentrieren sich nur darauf, in England den Durchbruch zu schaffen, auf den NME, den Melody Maker (als es ihn noch gab) und den Guardian, das ist alles, was sie interessiert. Länder wie Frankreich, Italien oder Deutschland sind ihnen völlig egal. Sie finden es zwar gut, wenn englische Bands dort Erfolg haben, aber ansonsten schauen sie gerne auf diese Länder herab und versuchen statt dessen, die eigenen Bands im eigenen Land zu hypen. Auf dieser Tour ­ und das finde ich ziemlich faszinierend ­ spielen wir insgesamt 24 Konzerte, und nur ein einziges davon in England, in London nämlich, das ist alles. Für uns stellt das aber kein Problem dar, denn von allen Ländern, die wir bisher gesehen haben, ist England das, wo es uns am wenigsten gefällt.
Warum das denn?
Aus diversen Gründen. Da ist z.B. der, dass die Engländer ständig auf der Suche nach dem nächsten Hype sind, und wenn du da nicht dazugehörst, dann bist du im Prinzip ein Niemand. In Schweden und Norwegen hat man uns hingegen sehr gut behandelt, die Fans, die uns schon seit Jahren mochten, kamen zu unseren Konzerten, und wir wurden mit Respekt behandelt. England ist wie eine große Blase, irgendwie ganz anders als der Rest der Welt. In anderen Ländern werden wir von unseren Fans verehrt, und das bedeutet uns viel. Gut, wir haben auch in GB eine Menge Fans, aber davon abgesehen ist Großbritannien irgendwie "nicht real". Mir ist es völlig schnuppe, ob wir den Durchbruch in Großbritannien schaffen, das bedeutet mir gar nichts. Mir wärs lieber, wenn wir z.B. in Schweden eine große Nummer wären, weil ich die Schweden nämlich mag.
Ihr wart Ende der 90er Teil der legendären San Francisco-Szene um das Label Elephant 6 (mit Bands wie Neutral Milk Hotel oder Olivia Tremor Control). Wie war das damals?
Keine Ahnung, das ist wohl eher ein Mythos, der mit der Realität nicht so viel zu tun hatte. Es waren halt ein paar Leute, die die gleiche Musik mochten. Allerdings hat diese Sache dann wohl doch andere Musiker beeinflusst und angespornt. Wir haben vorhin die Shins erwähnt, ich könnte mir denken, dass die vermutlich viele der damaligen Bands gemocht haben. Es ist schon toll zu sehen, dass Bands wie die Shins heute ähnliche Musik machen wie die damaligen Elephant 6-Bands und damit auch recht erfolgreich sind, was Olivia Tremor Control oder Neutral Milk Hotel ja verwehrt blieb. Ansonsten waren es, wie gesagt, nur ein paar Bands, die eine bestimmte Art von Musik machten. Und nur weil die Anfänge, damals noch in Athens, recht interessant waren, bekam diese Szene mehr Aufmerksamkeit als z.B. die in Toronto, die sich dort um dieses Arts & Crafts-Ding (Label) sammelt, also Bands wie Brocken Social Scene oder Stars. Ich denke, es gibt immer Bands, die befreundet sind und sich gegenseitig helfen, aber wenn man einer solchen Sache dann einen Namen gibt und es dazu auch noch ein paar wirklich gute Bands gibt, dann wird daraus evtl. etwas Größeres.
Wenn man Artikel über euch liest, dann werdet ihr da häufig mit britischen Bands verglichen, mit Klassikern wie den Beatles und den Kinks, aber auch jüngeren Bands von der Insel wie z.B. Teenage Fanclub, und das, obwohl du die Briten scheinbar nicht sehr magst...
Es ist ja nicht so, das ich alles an Großbritannien verabscheue, natürlich mag ich britische Bands, einige der tollsten Bands aller Zeiten kamen aus GB. Ich mag nur bestimmte kulturelle Aspekte nicht, z.B. die britische Presse, die ständig verrückt spielt und irgendwelche Sachen erfindet, es ist einfach fürchterlich, und beim Radio ist es ähnlich. Da geht es ständig nur um Hype, und dafür ist mir einfach meine Zeit zu schade. Aber es gibt Sachen, die ich an England liebe, englische Schokolade etwa, englisches Bier, englische Frauen und englische Musik. Ich mag nur das Land als solches nicht besonders.
Ich mag britisch Musik, aber ich denke, dass eine Menge der tollen Musik aus Großbritannien von britischen Kids gemacht wurde, die ihrerseits ihr Land auch nicht so sehr mochten. Die vielleicht auch dachten, dass Manchester ein Dreckloch ist, und es daher kein Wunder ist, dass soviel gute Musik von dort kommt, weil es außer Musik dort halt nichts zu tun gibt, weil England halt ein furchtbar graues Land ist.
Aber nochmal zurück zu meiner Frage, ihr seid schon geschult am klassischen Pop a la Beatles, Beach Boys etc. ...
Man kann immer irgendwelche Einflüsse anführen, bei unserer Band ist es im Prinzip die gesamte Geschichte des Rock'n'Roll. Ich habe all die von dir genannten Bands gemocht und ihre Musik gehört, Teenage Fanclub, Big Star, die Beatles und die Beach Boys, Punk aus den 70ern, Television, die Buzzcocks, Bowie, in den 80ern Sachen wie die Replacements, Dinosaur Jr., die Pixies, SonicYouth, Stereolab oder Pavement. Wir sind gewissermaßen Musik-Historiker, wir mögen alles.
Anderseits bist du offensichtlich kein großer Freund von Franz Ferdinand...
Es ist nicht so, dass ich Franz Ferdinand schlecht finde, aber es gibt da offensichtlich etwas, was (künstlich) zusammengestellt wurde, das ist keine wundervolle, organische Angelegenheit, das ist schlichtweg unmöglich. Es ist halt eben diese Retro-Bewegegung, die sich momentan gerade auf die Zeit so um 1982/83 eingeschossen hat, bis hin zur Kleidung. Für mich ist das eine total kalkulierte Geschichte, und das finde ich schlimmer als eine Band wie etwa Phish, auch wenn ich mir deren Musik nicht anhöre.
Eure Fans alten Fans mochten euch vor allem wegen der beschwingten Pop-Melodien, den "badaba"-Refrains, den Bläser-Chorusen. Das alles habt ihr auf eurem neuen Album "yoko" deutlich eingeschränkt zugunsten einer etwas dunkleren Grundstimmung, warum eigentlich?
Weil wir selbst diese (Pop-) Sache nicht mehr so sehr mochten. Das ist wie bei allen anderen Sachen auch. Du z.B. denkst ja auch darüber nach, wie und wo du ein Interview machst, weil es nach eine Weile langweilig wird, immer wieder dasselbe zu machen. Jetzt machst du also schon das zweite Interview in einem Duschraum, aber du willst sicher kein drittes oder viertes in einer solchen Umgebung machen. Und beim Platten machen ist es genau dasselbe, nach einer Weile finden wir bestimmte Sachen langweilig. Wir wollen uns schließlich auch weiterentwickeln und sehen, was wir aus uns herausholen können, ob wir anderr Akkorde verwenden, andere Melodien singen, also einfach etwas machen können, dass anders klingt. Nimm meine Lieblingsband, die Beatles, die haben ja geradezu die Anleitung dafür geliefert, wie man sich als Popband verhalten soll. Sie haben sich von Album zu Album verändert, immer wieder. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, dass wir eine Band wie Radiohead so sehr mögen, auch wenn wir nicht alle ihre Platten toll finden. Wir mögen sie, weil sie sich trauen, etwas anderes zu tun, als sie in der Vergangenheit gemacht haben. Und weil sie sich nicht in diesem Heiligenschein sonnen, der ihnen von der Presse so gerne verliehen wird, sondern sagen: "Wir wollen auch mal etwas anderes probieren." Genauso geht es uns auch, wobei man sagen muss, dass wir (auch auf dem neuen Album) immer noch wir selbst sind. Wir haben uns ja nicht verstellt, uns plötzlich "The Beulahs" genannt und eine Garagen-Rock-Platte gemacht. Das auf "yoko" sind immer noch wir, nur ein klein wenig anders.
Vielleicht lag es ja auch daran, dass viele von euch in der letzten Zeit viel durchgemacht haben, es gab , wie man hört, eine reihe von persönlichen Tiefschlägen, Trennungen etc. ...
Stimmt, fast jeder von uns hatte solche Erfahrungen, fast die ganze Band, es gab eine Menge Scheidungen. Das könnte eine Rolle gespielt haben, was meine Texte betrifft, war das ganz sicher der Fall. Hinsichtlich der Musik bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht wäre es eh so gekommen, schwer zu sagen. Ich selbst setzte mich ja nicht hin, analysiere und denke mir: "Hätten wir vielleicht ohne diese Erfahrungen fröhlichere Songs gemacht?" Denn viele unserer "fröhlichen" Songs haben ja eher düstere Texte, insofern weiß ich nicht, ob das wirklich der Grund war.
Woher kommt eigentlich eure Bandname Beulahs?
Der kommt von einem Buch namens "Pilgrim's Process" von John Bunyan, das vor ein paar hundert Jahren geschrieben wurde, und die Bedeutung ist: "das Land am Ende der Lebensreise". "Beulah" ist also etwas ganz ähnliches wie der Himmel oder das Nirwana. Das Buch gibt Moralregeln, wie man sein Leben Leben soll, und wenn man es auf puritanische, ganz besonders moralische Art lebt, dann gelangt man ins gelobte Land, ins "Beulah-Land".
Was für eine Stadt ist den San Fancisco für Bands wie euch?
Keine Ahnung, ich denke, jede Stadt ist wie jede andere auch. Komischerweise wird mir diese Frage auch in den Staaten immer wieder gestellt, z.B., wenn wir in New York sind. Da heißt es dann immer: "Wie ist die Szene in San Francisco?" Für mich ist eine Szene einfach eine Szene, man spielt in einer Band und macht entweder gute oder schlechte Musik. Was ich eigentlich sagen will: egal, wo wir herkommen, ob wir aus Berlin, Hongkong, Austin/Texas oder San Francisco kommen würden, das ist mir gleich, Beulah wären immer Beulah. Und diese New York- oder auch Brooklyn-Szene, von der im letzten Jahr alle sprachen, existiert ja auch nicht wirklich. Es gab schon immer Bands in Brooklyn bzw. New York, nur das jetzt halt versucht wurde, daraus etwas zu konstruieren, was es so nicht gibt. Und nächstes Jahr gibt es dann wieder etwas Neues, so wie es mit Seattle war und mit North Carolina. Und ich vermute mal, dass sie das gleiche auch hier in Europa versuchen, da findet dann jemand vier Bands, die aus der gleichen, kleinen Stadt kommen, und macht daraus dann eine Szene.
Ich finde diesen Retro-Vorwurf auch ein wenig unfair, ihr macht halt klassische Popmusik, das Format ist seit Jahrzehnten bekannt und bewährt, und man kann das Fahrrad halt nicht zweimal erfinden...
Stimmt, kann man nicht. Man kann es nur immer wieder neu anstreichen oder vielleicht mal ein paar neue Räder anbauen. Yoko (Ono) hat etwas ganz ähnliches über uns gesagt, sie meinte, wir wären als Band sehr "echt", so wie damals die Bands in den 60ern. Ich denke, das ist ein Kompliment, trotzdem habe ich immer wieder das Gefühl, mich irgendwie verteidigen zu müssen. Vielleicht, weil die 60er gerade nicht als "cool" gelten, weil momentan ja gerade die 80er "cool" sind. Aber ich sage euch eins: die 80er waren gar nicht so cool. Es ist die erste Retro-Welle, bei der ich schon das Original aus erster Hand miterlebt habe, und ich kann mich noch daran erinnern, dass diese Zeit alles andere als toll war. Und wenn ich heute die Leute sagen höre, wie toll doch die 80er waren, denke ich mir immer: "Oh Mann, bloß nicht!"


>> zur Bandseite