The Dears

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The Dears

Interview: Steve Winkler

Wenn ich recht informiert bin, begann die Geschichte von The Dears bereits Mitte der 90er?
Murray Lightburn: Das waren ich und ein paar Kumpels, die ich damals schon lange kannte. Wir haben einfach so herumgegurkt, die ganze Band-Sache auch nicht sonderlich ernst genommen. Vielleicht dachten die Jungs, dass das nix bringen würde, jedenfalls sind sie irgendwann ausgestiegen. 1998 stieß dann Natalya zur Band, das war gewissermaßen unser erster Wendepunkt.
Im Sommer 1999 haben wir dann unser erstes Album aufgenommen. Allerdings war uns zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht klar, ob wir das Album überhaupt veröffentlichen würden bzw. was wir überhaupt damit anstellen sollten. Dann haben Natalya und ich entschieden, eine Plattenfirma zu suchen, die die Platte herausbringen würde. Wir haben dann so 4, 5 Plattenfirmen kontaktiert, aber damals wollte keine etwas mit uns zu tun haben. Letztlich haben wir uns dann mit einem Label in Montreal zusammengetan, welches von 2 Typen aus ihrer Wohnung heraus betrieben wurde, und das vorher auch nur eine einzige Platte veröffentlicht hatte.
Wir haben uns selbst um die Promotion gekümmert, haben unsere Platten auch an diverse Zeitungen in Kanada verschickt. Das musikalische Klima in Kanada war zur damaligen Zeit so, dass eigentlich kaum etwas passierte. Als sie dann unsere Platte hörten, meinten viele: "Was zum Teufel ist das denn?!" Vielleicht haben wir damit ein paar Leute wachgerüttelt, vielleicht auch nicht, keine Ahnung. Was ich weiß ist, dass wir für ein klein wenig Aufregung gesorgt haben, und die haben wir genutzt. Innerhalb eines halben Jahres erhöhten sich die Zuschauerzahlen bei unseren Konzerten in Toronto von 20 auf ca. 600.
Für eine kanadische Band klingt ihr ausgesprochen britisch, dir selbst wird nachgesagt, ein großer The Smiths-Fan zu sein...
Ich will das gar nicht abstreiten bzw. gegen diese Einschätzung protestieren. Die meisten der Platten, die ich als Kind gekauft habe, kamen aus England. Allerdings gibt es einen Begriff, der mir wirklich Schauer über den Rücken jagt, und das ist "Britpop". Ich finde wirklich nicht, dass wir auch nur im entferntesten nach Britpop klingen, und unser Album klingt auch nicht wie "parklife".
Ich habe nie eine Pulp- oder eine Oasis-Platte besessen. Oasis kann ich gar leiden, ich finde sie eher grauenhaft. Die Platten, die ich damals gekauft habe, das war eher so Shoegazer-Zeugs wie Ride oder Platten von 4AD-Bands wie etwa den Pale Saints. Und noch früher stand ich auf Bands wie die Sisters Of Mercy, von denen ich nicht mal wusste, dass es sich dabei um eine englische Band handelte, ich mochte sie einfach. Wie der Zufall es wollte, spielten viele der Radiosender, die ich damals hörte, vor allem jede Menge britischer Musik, und aus irgendeinem Grund gefiel mir diese. Das war halt die Musik, auf die ich als Teenager stand, und irgendwie ist das hängengeblieben.
Es kursiert aber diese Legende, du wärest damals extra nach London geflogen, um Graham Coxon euer erstes Album zu geben...
Ich habe echt keine Ahnung, woher diese Geschichte stammt. Die wahre Eahre Geschichte ist folgende: Ich hatte damals eine Freundin, die in England wohnte. Ich selbst wohnte in Montreal, und ich wollt einfach nur mal für ein paar Tage aus Montreal raus. Meine Freundin meinte dann: "Ich hab ein wenig Kohle, ich bezahl dir den Flug, komm einfach rüber, und wir gehen aus und trinken was". Und sie meinte auch, dass ich ein paar Demo-Tapes mitbringen sollte, und dass wir dann bei ein paar Plattenfirmen vorbeischauen und die Tapes dort abwerfen könnten, worauf ich dachte: "Klar, das machen wir!" Ich bin also rübergeflogen, wir sind zusammen um die Häuser gezogen, und ich habe damals ca. 5 Demo-Tapes mitgenommen. Wir sind dann also zu Beggars Banquet, 4AD und EMI und haben da am Empfang gefragt, ob wir diese Kassetten hinterlegen dürften. Ich meine, ich kannte dort niemanden, und ich hatte auch keine Ahnung davon, wie die Musikindustrie funktioniert, es war alles furchtbar naiv und albern.
Zwischen den Besuchen bei den Plattenfirmen gingen wir halt in die Pubs, saßen da, tranken Snakebites und Bier und löteten uns einfach zu. Das war 1995, also auf dem Höhepunkt von Britpop, und der "Good Mixer" war damals der Treffpunkt, wo alle Leute abhingen, und auch Graham Coxon war jeden Tag dort. Wir gingen also dorthin, und wie nicht anders zu erwarten, war auch Graham da. Meine Freundin hatte ihn vorher schon mal getroffen und ihm erzählt, dass sie ihm gerne ein Tape geben würde. Ich selbst meinte damals: "Bitte, bitte tu das nicht", aber sie gab ihm halt die Kassette und er steckte sie in seine Hosentasche. Und das ist eigentlich die ganze Geschichte.
Deine Texte sind teilweise ziemlich düster, sie handeln von Liebe, Verzweiflung, gelegentlich auch von Hoffnung. Sind das autobiographische Erlebnisse, die du da besingst?
Nun, es gibt sicher ein paar Verzierungen, die mit Dingen zu tun haben, die ich gesehen oder erlebt habe. Aber meine Texte sind nicht wirklich autobiographisch, sondern nehme nur gewisse Elemente, gewisse Erlebnisse als Ausgangspunkt für meine Texte. Was mich vor allem interessiert, ist, herauszufinden, was mich und andere Leute antreibt.
Gibt es eine Geschichte zum Albumtitel "no cities left" (oder zum gleichnamigen Song)?
Der Grund, warum ich den Song so genannt habe, war der, dass ich das Gefühl hatte, den Punkt erreicht zu haben, an dem das Album fertig war. Der Song ist eine Art Epilog, der noch einmal aufführt, worum es sich bei dem Album dreht. Und das war dann auch der Grund, warum wir das Album "no cities left" genannt haben.
Die Idee des Albums ist die Beschäftigung mit fundamentalen Fragen des zwischenmenschlichen Umgangs. Also wie wir mit bestimmten Situationen umgehen, und dass wir Sachen wie Krieg, Gier, Hunger und Zwietracht vermeiden könnten, wenn wir jeden Menschen als Menschen betrachten würden, ohne dabei auf Dinge wie Klassenzugehörigkeit, Rasse etc. zu achten. Wenn wir also einfach auf der Ebene miteinander umgehen würden, die am meisten Sinn macht.
Ich kann einfach nicht glauben, dass wir in einer Welt leben, in der es Leute gibt, die, anstatt andere Menschen zu lieben, für sie zu sorgen und sie zu ernähren, es vorziehen, Leute umzubringen. Ich meine, die meisten Menschen stehen morgens auf, essen einen Toast, steigen ins Auto, fahren zur Arbeit, schreiben ein paar E-Mails, machen ein paar Anrufe, senden Faxe, fahren nach Hause und essen mit der Familie Abendbrot. Ich z.B. stehe morgens auf, trinke Kaffee oder Tee, steige in den Bus, fahre zum Gig, spiele mein Konzert, betrinke mich und gehe anschließend schlafen. Manche Leute aber stehen morgens auf, ziehen sich ihre Uniform an, werfen sich ihr Gewehr über und gehen dann los und erschießen andere Menschen, den ganzen Tag lang. Und ich kann es einfach nicht fassen, dass diese Sache, also das Töten von Menschen, ein Beruf sein soll.


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