The Knife

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The Knife

Interview: Steve Winkler

Wie und wann hat es eigentlich mit euch angefangen?
Karin Dreijer: Angefangen haben wir 1999. Ich hatte ein paar Ideen, die ich gerne ausprobieren wollte, Olof machte Musik mit dem Computer, also haben wir uns zusammengetan.
Olof Dreijer: Wir haben anfangs nur so mit dem Computer herumgespielt, es dauerte also eine ganze Weile, bis wir auf die Idee kamen, das zusammen als Band zu betreiben. Ich glaube, wir haben ein ganzes Jahr nur so herumexperimentiert. Dann haben wir eine 7"-Single mit zwei Stücken veröffentlicht, die wurde im öffentlich-rechtlichen Radio in Schweden ein kleiner Hit, damit ging es eigentlich los. 2001 haben wir dann unser erstes Album veröffentlicht, und erst da haben wir erkannt, dass wir eigentlich eine richtige Band waren.
Ihr seid ja Geschwister, macht das die Arbeit leichter?
Karin Dreijer: Wir haben als Duo bisher noch nicht mit anderen gearbeitet, insofern ist es schwer, da Vergleiche zu ziehen. Ich habe vorher in einer Band gespielt, da waren wir 5 Leute, und da war die Zusammenarbeit schwieriger als in der jetzigen Konstellation. Ich kann es also nicht genau sagen.
Olof Dreijer: Unter Geschwistern besteht halt die Gefahr, dass man sich zu sehr auf den anderen verlässt, man geht auch manchmal nicht so höflich miteinander um, wie man es mit anderen tun würde. Wir kennen uns sehr gut und wir haben nie Meinungsverschiedenheiten, wenn es um die Musik geht.
Karin Dreijer: So lange unsere Vorstellungen davon, welche Musik wir machen wollen, übereinstimmen, wird es keine Probleme geben.
Und wie sieht es bei den Texten aus?
Olof Dreijer: Nun, da habe ich nicht viel zu sagen. Karin ist halt diejenige, die die Texte schreibt. Ich mache ihr hin und wieder Vorschläge, worüber sie mal schreiben könnte, aber ich selbst bin so ein miserabler Texte-Schreiber, dass ich diese Aufgabe lieber Karin überlasse.
Ihr werdet mit der Aussage zitiert, dass die meiste Kunst und Musik heutzutage Mist sei. Glaubt ihr wirklich, dass die Situation so schlimm ist?
Karin Dreijer: Ja, das glaube ich. Allerdings ist das bei der Unmenge an Musik, die heutzutage veröffentlicht wird, auch nicht weiter verwunderlich. Ich finde, es ist heute schwieriger, wirklich gute Musik zu finden, weil die Industrie, also die großen Labels, die haben halt viel Geld, um Musik zu veröffentlichen und zu promoten. Kleinere Labels können viel mehr experimentieren, aber sie haben weder die Macht noch die finanziellen Möglichkeiten, mit ihrer Musik viele Leute zu erreichen. Ich kaufe wirklich viele Platten, aber häufig bin ich dann enttäuscht. Allerdings hat man dann ein umso besseres Gefühl, wenn man wirklich mal etwas Gutes findet.
In den letzten Jahren hat Schweden vor allem mit Garage-Rockbands auf sich aufmerksam gemacht. Gibt es denn in Stockholm so etwas wie eine Szene, so was wie ein Gemeinschaftsgefühl unter den Bands?
Olof Dreijer: Ich selbst fühle keinerlei Verbundenheit mit dieser Garage-Rock-Szene. Die elektronische Szene in Schweden ist so klein, man könnt eigentlich sagen, es gibt sie gar nicht.
Karin Dreijer: Wie Olof schon sagte, es gibt bei uns keine wirkliche Elektronik-Szene. Ich kenne in Stockholm zwei gute Bands, die eine heißt Revlon 9, und die andere heisst Puppetmasters. Ich weiß, ihr habt hier auch eine Band gleiche Namens. Aber man kann wirklich nicht von einer Szene sprechen.
Olof Dreijer: Bei uns in Schweden wird zwar jede Menge guter elektronischer Musik produziert, nur kriegt das niemand mit. Es gibt z.B. jede Menge richtig guter Dance-Musik, aber die wird halt in der Szene und in den Clubs nie gespielt.
Nochmal ein Zitat von euch: "Elektronische Musik ist die Musik der Zukunft." Glaubt ihr das wirklich?
Karin Dreijer: Vielleicht ist das eher Ausdruck unserer Hoffnung. Die Schweden sind in dieser Hinsicht sehr konservativ, sie trinken halt Bier und hören Rock-Musik. Es ist bei uns echt schwierig, auszugehen, und nicht mit diesen beiden Komponenten konfrontiert zu werden. Insofern hoffen wir eher auf den Tod der Rockmusik.
Mit welcher Musik seid ihr denn aufgewachsen, was hat euch beeinflusst?
Olof Dreijer: Wir haben immer eher experimentelle Sachen wie etwa Sonic Youth gehört. Die finde ich auch heute noch gut, auch wenn ich inzwischen nicht mehr jede ihrer Platten kaufe. Natürlich gibt es auch gute Gitarren-Musik, aber insgesamt gibt es einfach zu viel Gitarren-Mucke, und das ist schlecht.
Ihr tretet überhaupt nicht live auf, warum nicht?
Karin Dreijer: Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Der wichtigste ist aber der, dass wir als Studio-Computer-Projekt begonnen haben, und das wir auch nur zu zweit sind. Wir haben einfach nur Musik gemacht, aber auf einer Bühne zu stehen und vor vielen Leuten aufzutreten, das ist eine ganz andere Baustelle. Uns hat das bisher nie interessiert, wir machen lieber Musik, als diese live aufzuführen.
Euer zweites Album "deep cuts" hat in Schweden bereits Gold-Status erreicht. Hat euch dieser Erfolg überrascht?
Olof Dreijer: Nun, wir haben in Schweden unser eigenes Label, und normalerweise verkaufen wir auf dem Indie-Level so 1.000 bis 2.000 Platten. Daher waren wir natürlich äußerst überrascht, als wir die 30.000 erreichten. Für uns war es schon eine Riesenüberraschung, als wir die 10.000 überschritten.
Karin Dreijer: Dadurch haben wir jetzt genügend Geld, um weiterzumachen, insofern ist das der beste Preis, den wir kriegen konnten.
Wenn man sich eure Musik anhört, dann erinnert die schon sehr an Elektro-Pop aus den 80ern, oder seht ihr das anders?
Karin Dreijer: In den 80ern wurde halt mit Sounds experimentiert, die sehr stark, emotional und dramatisch waren. Wir nutzen diese Elemente um dem Ausdruck unserer Songs zu maximieren. Es ist ja so, dass fast alle unsere Songs Geschichten erzählen, und um diese Geschichten zu erzählen, schlüpfen wir in verschiedene Rollen. Es ist halt so, dass die Art, wie in den 80ern Musik gemacht wurde, unseren Intentionen sehr entgegen kommt.
Euer Album hat einen thematischen Faden, und der heißt "Feminismus"...
Karin Dreijer: Das Album handelt von all den Gedanken, die wir zur damaligen Zeit hatten, und Feminismus ist da ganz sicher ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt. Allerdings gibt es neben diesem auch noch andere Themen. Auf dem neuen Album gibt es z.B. eine Stück, das sich mit der Brutalität von Polizeieinsätzen beschäftigt, ein anderes thematisiert das Problem der Wohltätigkeits-Shows. Ich würde also nicht sagen, dass es auf dem Album ein durchgehendes Thema gibt.
In "you take my breath away" singst du: "... before I knew about the equality way I wanted to get laid to 'take my breath away'...". Das war doch nicht wirklich so, oder?
Olof Dreijer: Das war halt, als ich noch zur Schule ging, immer das letzte Stück, das in der Schuldisko gespielt wurde. Da stand man dann halt in einer Ecke und wollte gerne mit einer Person tanzen, die einem viel bedeutete, aber es klappte nie. Das ist eigentlich alles.
Kommen wir mal zum schon erwähnten Stück "the cop" - ich habe Schweden immer mit einer sehr sozialen und liberalen Gesellschaft assoziiert, ich wusste gar nicht, dass es bei euch Probleme dieser Art gibt...
Olof Dreijer: So war es auch, bis wir dann im Juni 2001 ein großes Treffen der EU (in Stockholm) hatten. Damals gab es bei uns riesige Demonstrationen, die dauerten 3 Tage und viele Leute haben sich damals an diesen beteiligt. Doch dann hat die Polizei mit scharfer Munition in die Menge geschossen, wobei ein Protestant beinahe getötet wurde. Eigentlich dachten alle, dass er tot wäre, aber er hat dann doch überlebt. Ich habe mich damals auch an diesen Demonstrationen beteiligt, und ich hatte das Gefühl, dass wir über dieses Thema einen kleinen Song schreiben mussten.
Ein anderes, von euch schon erwähntes Thema, ist das der Wohltätigkeit. "you make me like charity" kritisiert die heute üblich Spenden-Praxis...
Karin Dreijer: Ich denke, dass die Spenden an bedürftige Länder aus den Steuern bezahlt werden sollten. Ich empfinde es als blanke Verarschung, wenn irgendwelche Künstler zur besten TV-Sendezeit versuchen, die einfachen Leute, die selbst nicht über so hohe Einkommen verfügen, zum Spenden zu überreden. Bei uns in Schweden ist es z.Z. sehr populär, Steuersenkungen zu fordern. Der schwedische Staat unterstützt bedürftige Staaten nicht mehr so, wie er es in der Vergangenheit getan hat, gleichzeitig gibt es diese Fernseh-Shows, wo die Leute zu Spenden aufgerufen werden.
Ihr habt den schwedischen Grammy gewonnen, seid aber nicht zur Preisverleihung erscheinen, warum nicht?
Olof Dreijer: Wir wollten die Gelegenheit nutzen und etwas Nützliches tun. Wir selbst wollten nicht zur Preisverleihung gehen, also haben wir zwei als Gorillas verkleidete Freunde geschickt. Wir wussten, dass die Preisverleihung zur besten TV-Sendezeit in ganz Schweden ausgestrahlt wurde. Also dachten wir, das wäre eine gute Gelegenheit, auf das krasse Missverhaltnis der Geschlechter in der schwedischen Musikindustrie aufmerksam zu machen. Deshalb trugen die Gorillas auch T-Shirts mit einer großen "50" (bei zwei Gorillas also "50/50", d.A.), sprachen in den Interviews über dieses Missverhältnis und darüber, dass es in der (schwedischen) Musikindustrie keine weiblichen A&R-Manager gibt, und das sind ja letztlich die, die Bands unter Vertrag nehmen. Auch unter den Geschäftsführern (von Plattenfirmen), also unter den Leuten, die Entscheidungsgewalt haben, findet sich nicht eine Frau. Die Gorillas wurden am Tag nach der Zeremonie in allen möglichen Zeitschriften zitiert, die Aktion war also erfolgreich.
Ihr spielt ja, wie schon erwähnt, nicht live. Legt ihr denn wenigstens Platten auf?
Karin Dreijer: Ich habe das DJ-en aufgegegeben, aber Olof legt immer noch auf, wobei die Platten, die er auflegt, gar nichts mit der Musik von The Knife zu tun hat.
Olof Dreijer: Ich lege Dance-Musik auf, vor allem harten Techno, und der hat gar keine Beziehung zur Musik von The Knife.


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