Brendon Benson

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Brendon Benson

Interview: Steve Winkler

Wann hast du eigentlich angefangen, Musik zu machen?
Brendon Benson: Ich glaube, ich war so um die 14, als in mir der Wunsch auf kam, Gitarre zu lernen. Ich weiß nicht mehr, warum, kann mich auch nicht genau daran erinnern, welche Musik ich damals hörte. Ich war einfach neugierig aufs Gitarre spielen, also habe ich mir eine besorgt. Ich glaube, ich habe damals eine Stunde Gitarrenunterricht gehabt, und das hat mir überhaupt nicht gefallen, also hab ich mir dann das Gitarrespielen selbst beigebracht, selbst rausgefunden, wie man bestimmte Songs spielt. Ich habe damals auch schon ein wenig gesungen. Melodien zu behalten, fiel mir leicht, ich habe diese also vor mich hingesummt und dazu die passenden Gitarrenakkkorde gesucht.
In der Highschool habe ich dann in diversen Punkbands gespielt. Das war ziemlich krudes Zeug, halt das, was man von Kids, die ihre Instrumente nicht richtig spielen können, erwartet. Irgendwann bin ich da ausgestiegen und habe angefangen, mein eigenes Ding zu machen. Dafür gab es vor allem zwei Gründe: der erste war der, dass diese Bands nie so richtig aus dem Knie kamen. Mal konnte einer nicht zur Probe kommen, mal dies oder das nicht tun, oder sie konnten kein Konzert spielen, weil das zu spät geworden wäre. Hinzu kam, dass ich mich immer mehr für Musik interessierte, ich wurde besser, mein Geschmack änderte sich, ich begann mich für etwas anspruchsvolleren Punk zu interessieren, hörte halt Sachen wie etwa die Stranglers, und das hat mich inspiriert.
Ich habe dann angefangen, kleine Songs zu schreiben. Naja, das waren eigentlich keine richtigen Songs, nur so kleine Stücke, und die habe ich aufgenommen. Ich hatte jede Menge Tapes mit solch kleinen Fetzen. Mit 18 bin ich dann nach Kalifornien - genauer gesagt L.A. - gezogen und da habe ich dann Jason Falkner kennengelernt, der damals noch bei Jellyfish spielte, was mich ungeheuer beeindruckte. Ich war zwar nie ein großer Fan von Jellyfish, aber der Fakt, dass es sich bei diesen um eine Band handelte, die richtig auf Tour ging, und dass Jason das professionell betrieb und damit sogar Geld verdiente, das hat mich schwer beeindruckt. Ich gab also Jason diese Kassette und sie gefiel ihm. Er sagte dann ­ was war es noch gleich? ­ er sagte also: "Tolle Musik, lass uns diese Stücke doch noch einmal aufnehmen". Er hatte so ein kleines, tragbares 4-Spur-Gerät, meinte, dass er da den Sound und die Arrangements etwas aufpolieren könnte, und dann haben wir zusammen ein Tape mit sechs Songs aufgenommen.
Eh ich mich versah, riefen plötzlich Virgin, Atlantic und Columbia an und wollten mit mir reden. Ich stand völlig neben mir, bin nach New York geflogen, um da den Typen von Columbia Records zu treffen, war auch bei Atlantic und Virgin, das war alles sehr aufregend. Letztlich habe ich mich für Virgin entschieden, weil das von den genannten Firmen die kleinste war. Ich war von der ganzen Sache ziemlich eingeschüchtert, hatte auch keine Ahnung, was ich da eigentlich tat. Damals war Aady Factor bei Virgin, und auch Caz, der damals Clash gesignt hatte, da dachte ich mir: "OK, unterschreibe ich halt bei denen!".
Wir haben uns dann darauf verständigt, dass Jason (Falkner) die Platte produzieren sollte, was er dann auch tat. Es stellte sich dann aber heraus, dass Jason es ein wenig zu gut meinte, die Platte klang letztlich mehr nach ihm als nach mir. Ich habe das Album dann noch einmal neu aufgenommen, beim zweiten Mal mit Ethan Johns als Produzent. Ich habe ein paar Freunde zusammengetrommelt, die die Platte mit mir in San Francisco live eingespielt haben. Das Resultat war dann (mein Album) "one mississipi³, und alle waren damit sehr zufrieden. Ich bin dann damit auf Tour gegangen, und das war wohl der Anfang vom Ende. Ich hatte diese Songs halt vorher nie live vor Publikum gespielt, gleichzeitig stand die Band, mit der ich das Album aufgenommen hatte, für die Tor nicht zur Verfügung. Ich habe halt ein paar Freunde angerufen, wir sind auf Tour gegangen, und wir waren einfach nur schlecht. Das Album hat damals großartige Kritiken bekommen, aber unsere (bescheidenen) Live-Konzerte haben verhindert, dass es ein richtiger Erfolg wurde.
Dein letztes Album "lapalco" ist von der Kritik hoch gelobt worden, hast du daher so etwas wie Druck gespürt, als du das neue Album gemacht hast?
Nein, bei der neuen Platte habe ich überhaupt keinen Druck verspürt. Den Druck hatte ich damals bei "lapalco", weil dessen Vorgänger noch mehr Kritikerlob als "lapalco" eingeheimst hatte. Es war schon ziemlich erstaunlich, wie die Leute auf "one mississipi" reagierten, aber so ziemlich alle, die die Platte damals hörten, fanden sie toll. Das Problem war nur, dass es eben nicht sehr viel Leute waren, die die Platte gehört haben. Das neue Album hingegen war ein absolutes Kinderspiel und ich kann gar nicht oft genug betonen, wie schnell ich die Scheibe eingespielt habe. Es war mir einfach wichtig, das neue Album schnell zu veröffentlichen. Ich habe es in fünf Monaten seit dem Ende der letzten Tour eingespielt.
Wenn man liest, welche Musik dich beeinflusst hat, werden da immer zwei Bands erwähnt, nämlich die Beatles und die Beach Boys...
Stimmt, und das Komische daran ist, dass ich die Beatles oder auch die Beach Boys erst viel später entdeckt habe. Tatsächlich bin ich erst nach "one mississipi" ein richtiger Beach Boys-Fan geworden, und bei den Beatles war es ähnlich. Klar mochte ich die Beatles auch schon vorher, stand aber eher auf die Rolling Stones. Nach "one mississipi" aber wurden da von vielen Leuten Parallelen zu den Beatles und den Beach Boys gezogen, das hat meine Neugier geweckt, so dass ich mich dann intensiver mit deren Platten beschäftigte.
Ich wurde von den Leuten in eine Schublade gesteckt, und ich fand das auch irgendwie toll, weil mir das eine gewisse Identität, ein gewisses Image gegeben hat. Später erkannte ich dann, dass es gar nicht so gut war, mit den Beatles und den Beach Boys verglichen zu werden, weil diese Bands eigentlich alle Standards definiert haben. Es ist daher gar nicht so gut, in der gleichen Schublade wie diese einsortiert zu werden, weil man in dieser dann nur ganz wenig Platz hat. Das ist in etwa so, als ob man in den Ozean pinkeln würde.
Wie schreibst du deine Songs, in der traditionellen Hippie-Variante, im Schneidersitz bei Kerzenschein?
Nein, in der Regel passiert das in deutlich unbequemeren Positionen. Wenn ich einen Einfall habe, muss ich den schnell festhalten. Ich erinnere mich, dass es früher häufig vorkam, dass ich mit meiner Freundin aus war, und dann schnell nach Hause gehen musste, weil mir gerade eine neue Idee kam. Inzwischen hat sich das ein wenig geändert. Früher waren mir solche Einfälle sehr wichtig, ich wollte sie nicht verlieren. Inzwischen habe ich erkannt, dass mir diese Sachen nicht so schnell verloren gehen, dass bestimmte Ideen, Melodien, Worte, Texte, Melodien oder Phrasen regelmäßig wiederkehren, bis daraus irgendwann ein Song entseht.
Gemischt hat das Album Tchad Blake (u.a auch Toningenieur/Produzent von Paul McCartney, Pretenders, Suzanne Vega, Elvis Costello, Peter Gabriel, Travis, Gomez), von dem du, wie man hört, ein großer Fan bist...
Das bin ich. Er hat die Platte nicht im herkömmlichen Sinne, sondern eher im Nachhinein produziert. Das Album war im Prinzip fertig, was man jetzt auf der Platte hört, ist schon zum Großteil das, was ich ursprünglich aufgenommen habe. Ich habe ihm dann meine Aufnahmen gegeben, und er hat die Platte dann abgemischt, ohne dass ich dabei anwesend war. Ich hab ihm einfach gesagt: "Weißt du, ich bin ein Riesenfan von dir, von mir aus kannst du dir alle erdenklichen Freiheiten herausnehmen. Wenn dir ein Lied nicht gefällt, dann lass es einfach weg, was auch immer. Betrachte diese Arbeit nicht wie einen üblichen Job für eine Plattenfirma. Ich bin ein Fan von dir und ich will sehen, was du mit meiner Musik anstellen kannst, ob sie dir überhaupt gefällt." Letztlich hat er einiges getan, hat manche Songs ein wenig verändert, manche Sachen weggelassen, es war also fast so, als ob er die Platte produziert hätte. Bei meinem nächsten Album würde ich gerne auf eher traditionelle Weise mit Tchad zusammenarbeiten.
Dein neues Album trägt den Titel "alternative to love". Worin könnte diese Alternative denn bestehen?
Das ist die ewige Frage, und ich bin mir da nicht ganz sicher. Ich bin das jetzt schon häufiger gefragt worden, vermutlich hätte ich mir vorher ein paar mehr Gedanken darüber machen sollen, was ich darauf antworten kann. Ich war auch gar nicht darauf gefasst, dass mir die Leute diese Frage stellen würden, und ich weiß auch gar nicht, worin diese Alternative bestehen könnte. Der Titel ist einfach eine Reaktion auf diese sprichwörtliche Liebe, von der man immer wieder hört, oder wie sie in Gemälden oder auch im Fernsehen dargestellt und selbst von der eigenen Mutter oder von Freunden beschrieben wird. Die Vorstellung von einer Liebe, die alles überstrahlt, und dass Liebe alles ist, was man (zum Leben) braucht. Für mich hat sich das bisher so nicht verwirklicht, und wenn ich mich umschaue, dann habe ich den Eindruck, dass es bei anderen Leuten auch nicht der Fall ist. Ich kenne Leute, die glücklich verheiratet sind, zusammen leben und Kinder haben, aber ich frage mich, ob diese romantische Form von Liebe wirklich existiert, und ob es sich lohnt, dieser nachzujagen.
Überhaupt scheint dich dieses ewig junge Thema "Mann-Frau" ziemlich zu beschäftigen...
Ja, darüber denke ich viel nach, über die Liebe, über Beziehungen, Mädchen und all diese Sachen. Und ich denke, dass man in diesem uralten Junge-trifft-Mädchen- oder auch Du-liebst-mich-nicht-mehr-Thema alle mögliche Geschichten erzählen kann. Eine solche Strory muss gar nicht von einem Jungen und einem Mädchen, sondern könnte unter Umständen auch von einem Tisch und einem Stuhl oder was weiß ich handeln.
Du hast, wie man hört, zuletzt ein Album mit Jack White von den White Stripes aufgenommen...
Ja, es ist eigentlich schon fast fertig. Wir haben bis zu meiner Abreise vor ein paar Tagen daran gearbeitet. Ich bin damit ziemlich zufrieden und er auch. Wir haben zwar keine Ahnung, was das ist und was wir damit machen werden, aber es hat uns Spaß gemacht und es klingt auch ziemlich cool. Aber es wird wohl noch lange dauern, bis es veröffentlicht wird.
Wie habt ihr euch denn kennengelernt?
Nun, in Detroit scheint es so, dass fast jeder mit jedem befreundet ist, es ist fast so etwas wie eine Familie. Es gibt nur zwei Clubs, jeder dort schaut sich die Konzerte der anderen (Künstler) an, da ist es ganz egal, was für Musik man macht. Klar, es gibt da diese Garagen-Rock-Szene, aber das hält die an dieser Sache Beteiligten nicht davon ab, zu meinen Konzerten zu kommen oder zu Konzerten von anderen Bands, die keinen Garagen-Rock machen. Jack und ich hatten also jede Menge gemeinsamer Freunde, und über diese haben wir uns kennengelernt. Unser Verhältnis ist durch gegenseitige Bewunderung und Respekt geprägt, obwohl ich nicht genau definieren kann, was genau diese Bewunderung auslöst. Ich mag vor allem seine Texte, für mich ist Jack einer der z.Z. besten Texter. Neben anderen Sachen, er ist zweifelsohne ein Riesentalent.
Wie war denn die Zusammenarbeit mit Jack White so?
Manchmal war es schon schwierig. Es wurde deutlich, dass wir uns unterscheiden, hinsichtlich der Herangehensweise, der Ideale, und manchmal auch hinsichtlich der Richtung, in die wir gehen wollten. Wenn einer in eine bestimmte Richtung will ist es hart, wenn der andere da nicht mitziehen will oder man ihn erst überzeugen muss. Ich erinnere mich z.B. daran, dass ich einen Text zu diesem einen Song geschrieben hatte und die Gesangsline dazu aufnehmen wollte. Ich sagte also zu Jack: "Vertrau mir, lass mich einfach mein Ding machen". Und er hat mich machen lassen und siehe da, es hat hingehauen und ist ein toller Song geworden.
Es hat wirklich großen Spaß gemacht, zum einen die Arbeit mit Jack, aber dann auch überhaupt mal mit jemanden wie ihm zusammenzuarbeiten. Das hatte ich vorher so noch nie getan. Bei meiner Arbeit mit Jason Falkner waren die Songs ja schon fertig geschrieben, dann kam er und hat hier und da ein wenig verändert. Es war also keine Zusammenarbeit in der Art, dass wir uns zusammen hingesetzt und Musik geschrieben hätten. Weder mit ihm noch mit jemand anderem habe ich das vorher gemacht.
Du warst ja schon auf Tour in Deutschland, was ist dein Eindruck vom hiesigen Publikum?
Nun, das deutsche Publikum ist manchmal schon ziemlich merkwürdig, sehr reserviert, leise, höflich, aber schön, aber schon aufmerksam. Ein Freund hat mir mal gesagt, dass ihr Deutschen nur sehr selten den Satz "Ich liebe dich" sagt. Genau das ist für mich auch die perfekte Beschreibung deutschen Publikum. Sie sind so: "Ja, wir mögen eure Musik, aber wir müssen ja nicht unbedingt dieses L-Wort verwenden oder in Begeisterungsstürme ausbrechen, um das zu zeigen!" Aber ich bin wirklich gerne in Deutschland.
Wie man hört, haben dich beim neuen Album auch Rilkes "Briefe an den jungen Dichter Kappus" inspiriert...
Als ich damals von der Virgin unter Vertrag genommen wurde, hatte ich diesen Komplex: Ich fühlte mich wie ein Betrüger, ich dachte, ich würde die Leute nur an der Nase herumführen. Dieses Gefühl habe ich auch jetzt noch hin und wieder. Dann riet mir ein Freund, dieses Buch zu lesen. Und mir hat dieses Buch geholfen, herauszufinden, ob ich wirklich Musiker sein will. Ob es nur eine Idee ist, die man mal hat, oder ob es ein inner Zwang ist, eine echte Obsession, ob einen Musik wirklich gefangen nimmt. Da war ich mir damals nicht so sicher, und ich bin es bis heute nicht.
An einer Stelle in dem Buch wird dann die Frage gestellt, ob man auch leben wolle, wenn man nicht schreiben könnte, und wenn die Anwort "ja" lauten würde, dann solle man die Sache lieber bleiben lassen. Ich denke, dass ich auch ohne die Musik weiterleben wollen würde, aber ich wäre vermutlich ein sehr trauriger Mensch.
Wirst du denn mit dem Album auch auf Tour gehen?
Wir werden die Tour in zwei Phasen unterteilen. Zuerst werde ich zusammen mit Dean, der Gitarren und Keyboard spielt, ein paar akustische Konzerte spielen, und später dann mit einer kompletten Band auf Tour gehen. Das wird sicher cool, da kann sich jeder entscheiden, ob er sich nur eines dieser Konzerte oder beide Varianten ansehen will.


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