Jenny Wilson

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Jenny Wilson

Interview: Steve Winkler

Lass uns mal ein wenig deine Vergangenheit beleuchten. Soweit ich weiß, bist du ein richtiges Landei.
Ja, das stimmt, ich bin in einem Dorf auf dem Land groß geworden, wo ich mit meinen Eltern und meinen zwei Schwestern wohnte. Ich habe mich schon ganz früh sehr für Musik interessiert. Als Teenager habe ich viele Platten gekauft und mich viel auf Konzerten rumgetrieben. Selbst Musik habe ich damals allerdings noch nicht gemacht, einfach, weil ich damals noch nicht wusste, dass ich die Fähigkeit dazu besaß. Daher war ich, als ich dann anfing, selbst zu spielen, gar nicht mehr so jung, sondern schon so um die neunzehn.
Was Für Musik hast du denn als Teenager so gehört?
Nun, z.B. Sachen wie The Cure, Kate Bush, die Smiths, Devo. Ja, das waren so meine Lieblingsbands.
Laut deiner Bio warst du auch Fan von schwedischen Indie-Pop-Bands wie Easy, Union Carbide oder auch Whipped Cream.
Nee, auf diese Sachen habe ich nie gestanden, das war mir nicht hart genug.
Aber du sollst angeblich bei allen Konzerten dieser Bands in eurer Gegend in der ersten Reihe gestanden haben.
Nun, in dem kleinen Ort, in dem ich wohnte, gab es so eine Art Haus, in dem die Teenager abhängen konnten, und da fanden halt auch diese Konzerte statt. Und da diese Stadt - sie heißt übrigens Sölvesborg - so klein ist, war ich halt auch bei jedem Konzert dieser Bands dabei. Insofern hast du schon recht, ich habe Union Carbide, Easy und auch Whipped Cream alle live gesehen. Was aber nicht daran lag, dass es sich bei diesen um meine Lieblingsbands handelte, sondern vielmehr daran, dass das halt das Einzige war, was man sich dort ansehen konnte.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie viele tolle Pop-Bands aus Schweden kommen, und das, obwohl ihr ja viel weniger Einwohner habt als z.B. Deutschland. Hast du dafür eine Erklärung?
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass wir nicht so eng aufeinander wohnen. Wir wohnen alle ­ nun vielleicht nicht gerade isoliert voneinander ­ aber die meisten Schweden leben halt auf dem Land. Wenn du willst, dass da etwas passierst, musst du es schon selbst auf die Beine stellen. Vielleicht ist das ja eine Erklärung. Die Leute in Schweden gründen halt ständig neue Bands, weil sie sonst nichts zu tun haben.
Du hattest früher auch eine Band namens First Floor Power, zusammen mit deiner Schwester, und wie man hört, wart ihr auch recht erfolgreich, u.a. auch in Frankreich.
Wir waren wirklich nur eine ganz kleine Band, Stimmt, wir haben auch ein Album in Frankreich veröffentlicht, aber nur in einer ganz geringen Auflage.
Was für Musik habt ihr denn gemacht?
Sehr, sehr merkwürdige Popmusik. Es fällt mir schwer, jetzt exakt zu definieren, was genau wir gemacht haben. Manche Leute haben damals gesagt, dass sie unsere Musik an Bands wie etwa die Talking Heads erinnern würde. Aber ich selbst finde es wirklich schwierig, meine eigene Musik zu beschreiben. Ich schätze, ich sollte das mal ein wenig üben.
Du hast Dein erstes Soloalbum "love and youth" auch ganz alleine eingespielt.
Stimmt, und ich habe das als ganz natürlich empfunden. Ich habe die Platte ja auch im Alleingang aufgenommen, da waren keine weiteren Personen beteiligt. Ich fand es einfach schön, dazusitzen und alle Instrumente selbst zu spielen. Ich hatte, als ich mit der Arbeit an meinem Album begann, die Nase gestrichen voll davon, mit anderen zusammenzuarbeiten und davon, immer wieder Kompromisse machen zu müssen. Insofern fand ich es ganz wunderbar, alles selbst machen zu können.
Was hast du denn auf dem Album alles gespielt?
Nun, ich spiele Gitarre, Bass, diverse Synthis, ein wenig Schlagzeug, Vibraphon. Außerdem habe ich auch ein paar Sachen - wie etwa den Drumcomputer - am Rechner programmiert.
Das ist ja eine ganze Reihe von Instrumenten, die man da auf dem Album hört, die muss man ja auch erst mal beherrschen.
Ich habe keinen großen Respekt vor Instrumenten, und auch keine Angst, diese zu spielen. Ich beherrsche keines dieser Instrumente besonders gut - bin also alles andere als eine Virtuosin ­ aber ich zerbreche mir darüber nicht so sehr den Kopf, sondern spiele sie einfach. Viele Leute haben einfach Angst vor Instrumenten, sie sagen : "Oh, ich kann nicht Gitarre spielen!" Dabei kann das wirklich fast jeder. Alles, was man dazu braucht, ist eine Vision. Wenn man eine Idee hat, kann man so ziemlich alles machen, was man will. Das Schwierige ist also, sich etwas einfallen zu lassen, die Umsetzung ist dann ganz einfach.
Du hast dich kurzeitig auch mal mit der Schriftstellerei beschäftigt, und wohl auch eine Weile an der Stockholmer Kunsthochschule studiert.
Mit 18, 19 habe ich mal einen Kurs für Autoren mitgemacht. Ich habe die Schreiberei damals sehr ernst genommen, habe ständig geschrieben, und wollte unbedingt Schriftstellerin werden. Bis ich irgendwann gemerkt habe, dass das doch nichts für mich war, dass es mir auf die Dauer einfach zu langweilig wurde und ich lieber Musik machen wollte, und da habe ich dann eine Band gegründet. Ich habe schon von Kindheit an immer viel gezeichnet, und daher habe ich dann später auch begonnen, Grafikdesign an der Kunsthochschule zu studieren.
Du tauchst auf dem Album von The Knife - im Song "you take my breath away" - als Gastsängerin auf, wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Nun, Schweden ist halt ein sehr kleines Land. Karen von The Knife hatte früher eine Band namens Honey Is Cool, ich hatte meine Band First Floor Power. Wir gehörten zur selben Szene, wir mochten auch die Musik der jeweils anderen Band. Irgendwann haben wir uns unterhalten, und dann angefangen, zusammen zu arbeiten.
Musikalisch habt ihr nicht ganz so viel gemeinsam.
Nein, ich denke, ich bin eher Pop-orientiert. Aber es gibt schon die eine oder andere Parallele, ich glaube einfach, dass wir die ziemlich ähnliche Ansichten haben.
Und wie lief diese Zusammenarbeit dann ab?
Sie haben mich zu sich nach Hause eingeladen, und dann haben Karin und ich uns hingesetzt, und ich habe dann meinen Gesangspart selbst geschrieben.
Du hast gesagt, dass dein Album ein Konzeptalbum ist. Beim Begriff "Konzeptalbum" fallen mir sofort die 70er ein und Bands wie Yes, Pink Floyd oder Genesis, Prog-Rock halt.
Ich glaube nicht, dass mein Album auf diese Weise funktioniert, sondern dass es vor allem durch die Texte und Geschichten zusammengehalten wird. Was die Musik betrifft, ist es ein ziemlich bunte Mischung verschiedener Stile. Es dürfte wohl schwierig werden, zu definieren, was für Musik ich eigentlich mache.
Worin genau besteht das Konzept bei deinem Album?
Ich habe halt über meine Kindheit, über die anderer Kinder, und auch die meines eigenen Kindes nachgedacht. Ich finde, dass die Kindheit, und auch der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt, die Teenagerzeit halt, eine ungeheure spannende Zeit im Leben eines Menschen ist. Mir gingen da so viele Geschichten durch den Kopf. Ich glaube, ich habe damals drei Texte zu drei unterschiedlichen Songs geschrieben, ohne mir dabei Gedanken über ein bestimmtes Konzept zu machen. Als ich diese drei Texte dann las, stellte ich fest: "Mein Gott, das ist ja so was wie ein durchgehendes Thema!" Und dann fand ich, dass es ganz spannend war, im Bereich der Texte mit einem Konzept zu arbeiten. Die Kindheit/Jugend ist halt ein Lebensabschnitt, der dich immer verfolgt, und dich nie loslässt.
Du hast es ja gerade erwähnt, du bist auch selbst Mutter, hast einen vierjährigen Sohn. Hat das eigentlich auch Einfluss auf deine Arbeit, und wenn ja, welchen?
Nun, eine sehr wichtige Sache für mich als Mutter ist, dass ich dadurch gelernt habe, meine Zeit einzuteilen. Wenn ich mal zwei Stunden frei habe, dann nutze ich diese, um zu arbeiten, und wenn ich mich heute dazu entscheide, etwas zu tun, dann sehe ich zu, dass ich das schnell erledige. Früher, als ich noch jünger war und keine Verantwortung tragen musste, war ich häufig ziemlich faul. Aber das ist vorbei. Ich wünschte mir manchmal, dass ich ein wenig fauler sein könnte.
Du bist, wie ich weiß, großer Fan von Kate Bush. Die hat ja gerade erst nach langer Pause wieder ein Album veröffentlicht.
Ja, aber ich hab es noch nicht gehört. Ich finde sie als Frau ungeheuer interessant, sie inspiriert mich wirklich sehr. Sie macht halt keine Kompromisse, sondern tut einfach das, was sie tun will.
Ein anderes großes Vorbild von dir war PJ Harvey.
Stimmt, die war wirklich sehr wichtig. Durch sie habe ich erkannt, dass ich vielleicht auch besser Musikerin als Schriftstellerin werden sollte. Ich hatte nie daran gedacht, selber Musik zu machen ­ bis ich dann PJ Harvey hörte. Heute stehe ich zwar nicht mehr so sehr auf ihre Musik, und höre mir auch ihre Platten nicht mehr an, aber sie hat immer noch einen Platz in meinem Herzen.

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