The Mopeds

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The Mopeds

Interview: Aileen Ittner & Uwe Jähnichen

The Mopeds existieren nun mittlerweile schon über 10 Jahre - dennoch habt ihr in dieser Zeit neben einigen Singles/EPs "nur" drei Alben veröffentlicht. Das ist für "schwedische Verhältnisse" nicht all zu viel.
Jens Lindgård: Hehe, vielleicht für The Bear Quartet nicht...
Lasst Ihr Euch bewusst so viel Zeit zwischen Euern Album-Releases, oder nimmt die Arbeit als Produzenten in Euerm "Gula"-Studio so viel Zeit in Anspruch?
Jens: Ja, das ist richtig. Wir haben das Studio damals ja mit aufgebaut, sind dann vor 4 Jahren mit dem Studio umgezogen und haben es danach auch immer wieder umgebaut und erneuert. Natürlich nimmt das viel Zeit in Anspruch. Außerdem spielen wir auch noch bei vielen anderen Bands mit. Es war nicht beabsichtigt, dass es mit dem neuen Album so lang dauert, aber wir brauchten die Zeit wirklich.
Petter Lindgård: Ja, das Wichtigste für uns ist sich mit Musik zu beschäftigen. Und da gibt es viele Betätigungsfelder für uns, nicht nur die Mopeds. Also sind wir auch nicht traurig über diese Unterbrechungen.
Ihr habt in Eurem Studio eigentlich von Beginn an (1999) für viele "große" bzw. bekannte schwedische Bands und Musiker gearbeitet z. B. Doktor Kosmos, Marit Bergman, David And The Citizens, Mattias Carlson, Kristian Anttila, Hell On Wheels oder Ray Wonder. Außerdem wurden im “Gula³-Studio die Platten von Franz Ferdinand oder Suede produziert. Habt Ihr da von dem international sehr guten Ruf der "Tambourine"-Studions profitiert, bei denen ihr ja auch schon mitgewirkt hattet und zu denen das Gula-Studio auch mal gehört hat? Oder war es die frühere Zusammenarbeit mit der Produzenten-Legende Tore Johansson, die Euch da “gewisse Türen³ geöffnet hat?
Jens: Ich denke die richtige Antwort ist eine Kombination aus allem, sowie der Tatsache, dass unser jetziges Studio einfach gut ist und dass die Bands es mögen. Natürlich haben wir auch von der Zusammenarbeit mit Tore Johannson profitiert. Aber wir haben ja selbst auch einen ziemlich langen musikalischen Background und haben schon früher mit einer Menge guter Bands und Künstlern zusammengearbeitet. Natürlich hilft das. Ich glaube mittlerweile ist es vor allem das klasse Equipment, das den guten Ruf des Gula-Studios ausmacht. Aber natürlich hatten wir auch viel Hilfe auf dem Weg dahin.
Petter: Am Anfang war es nicht das Studio, sondern die Leute drumherum wie Doktor Kosmos, die unbedingt mit uns aufnehmen wollten. Kristian Anttila z. B. wollte zwar im Gula-Studio aufnehmen, aber mit einem anderen Produzenten. Und Franz Ferdinand wollten zu Beginn nur Tore Johannson als Produzenten, aber nicht das Gula-Studio. Als sie allerdings im nachhinein ihr Album selber hörten, sagten sie, dass es die richtige Entscheidung war im Gula-Studio zu produzieren. Jetzt steht das Studio für sich selbst. Wir vermieten es ja auch an andere, zum Beispiel wenn wir auf Tour sind, obwohl wir dass anfangs gar nicht wollten. Das Studio ist über die Jahre immer bekannter geworden und jetzt läuft es wirklich ganz gut. Wir hatten eben Glück.
Ich denke es ist nicht falsch zu behaupten, dass Ihr als Band in Schweden schon eine gewisse Popularität genießt. Ebenso auch in Japan. Als Ihr im Mai letzten Jahres zum ersten Mal in Berlin ein Konzert gespielt habt, hielt sich das Publikumsinteresse doch sehr in Grenzen, obwohl ich behaupte, dass der Bandname The Mopeds auch hierzulande dem einen oder anderen geläufig sein müsste. Ist es nicht sehr schwierig mit so einer Situation umzugehen: Auf der einen Seite verhelft Ihr mit Eurer Arbeit als Produzenten anderen Bands zu einem enormen Erfolg und auf der anderen Seite steht ihr wie beim Konzert in Berlin vor einem grottenschlechten Publikum, das nur darauf wartet, bis die Disko endlich anfängt, in der Songs z.B. von Franz Ferdinand gespielt werden, denen ihr den entscheidenden Schliff gegeben habt?
Petter: Na ja, so funktioniert es eben nicht. Es macht wirklich viel Spaß mit anderen Musikern zu arbeiten und ihre Musik zu produzieren. Aber das Beste und Schönste von allem ist, selbst Musik zu machen. Natürlich kann man nicht erwarten, dass allen anderen das gefällt, was du selbst für das Beste hältst. Franz Ferdinand hatten einfach Glück. Sie machen Musik, die bei vielen Leuten ankommt. Ich denke, Musik ist so persönlich. Du kannst nicht von jemandem erwarten, dass sie ihm auch gefallen muss.
Jens: Sehr gut gesagt! Wir haben die Mopeds ja nicht “designt³, so dass sie jedem gefallen muss. Es ist einfach die Musik, die wir selber machen wollen. Trotzdem freut es uns natürlich, dass wir auch Fans haben. Es sind zwar nicht so viele, aber die wenigen sind wirklich "hardcore" und uns reicht das. Wir werden damit wohl nie die Weltmacht erreichen, aber finden es ziemlich cool und gut so wie es ist.
Das gesamte Projekt: The Mopeds ­ wenn man es so bezeichnen darf ­ hinterlässt den Eindruck, dass dies alles mir sehr, sehr viel Spaß verbunden ist. Egal ob man nun Eure Songs, das Bandlogo oder Eure Videos heranzieht ­ ein Schmunzeln ist immer mit dabei. Ich vermute Ihr seid auch ganz privat so?
Jens: Manchmal. Jeder hat halt verschiedene Seiten. Niemand kann permanent so lustig sein, wie die Mopeds nach außen vielleicht erscheinen. Manche Leute müssen eher schwermütig oder melancholisch sein, wenn sie Musik machen und andere halt nicht. Es gibt eben verschiedene Herangehensweisen.
Petter: Wir denken schon, dass es ein Privileg ist, die Möglichkeit zu haben, gemeinsam soviel Zeit damit zu verbringen, Musik zu machen. Ich denke wir haben jede Menge Spaß. Wir können nichts dafür, es überträgt sich dann eben einfach auf die Musik und die Videos. Es gibt ja auch so eine weit verbreitete Meinung, dass mehr Spaß die Sache weniger ernsthaft macht ­ was ich persönlich ziemlich komisch finde. Ich denke wer das behauptet, hat einfach nicht weit genug unter die Oberfläche geschaut.
Jens und Petter ­ Ihr seid ja Geschwister, macht das die Arbeit leichter oder komplizierter?
Jens und Petter: Ähm? Vielleicht sollten wir David fragen?
David Carlsson: Ich weiss nicht. Ja, manchmal merkt man es schon, denn Brüder haben ja so eine Art natürlicher Verbindung, die ich zu ihnen so nicht habe. Aber vielleicht ist ein enges Verhältnis eher schlecht. Man weiß wahrscheinlich immer genau, was man voneinander zu erwarten hat. Das könnte auch ein Hindernis sein.
Bezieht sich der Song "refused demo land" auf Euerm aktuellen Album "fortissimo" eigentlich auf eigene Erfahrungen damals zu Beginn Eurer Kariere bzw. Ende der 90er, als Ihr auf Labelsuche wart, nachdem Eure damalige Plattenfirma Vibrafon leider seine Arbeit eingestellt hat?
Jens: Nein eigentlich tut er das nicht. Es geht mehr um die Band, die wir vor den Mopeds hatten, als wir noch viele Demos rumgeschickt haben, damit aber nicht wirklich Erfolg hatten. Mit den Mopeds war es dann anders. Da hatten wir großes Glück. Wir haben damals nur ein Demo aufgenommen und es gab davon nur eine Kopie, die wir an Vibrafon Records verliehen, weil sie von uns gehört hatten. Also sagten wir: OK, ihr könnt es für eine Woche haben, aber dann brauchen wir es zurück. Und nach einer Woche sagten sie OK, wir machen ein Album mit Euch.
Als wir dann in den Tambourine-Studios arbeiteten, lernten wir die CrunchyFrog Leute kennen und als sie mitbekamen, dass wir mit Vibrafon nicht mehr arbeiten konnten, fragten sie, ob wir auf ihr Label wollen. Also hatten wir eigentlich immer Glück mit solchen Sachen. Aber bei unserer ersten Band war es wohl eher so wie bei jeder anderen Band, die anfängt Musik zu machen. Aber, was nun den Song anbetrifft: 2001 waren wir auf Tour mit einer anderen Band unseres jetzigen Labels CrunchyFrog und einigen Leuten vom CrunchyFrog Label. Und im Tourbus gab es eine große Plastiktüte voll mit Demos, die sie während der Tour abarbeiten mussten. Das sah dann so aus: das Demo wird im Tourbus angehört, es bekommt 20 Sekunden und war es nicht gut genug, flog es raus. Es wurde mit der Zeit irgendwie immer absurder und trauriger, weil man ja weiß wieviel Aufwand von den Bands beim Aufnehmen betrieben wird und wieviel Liebe in einem Demo steckt. Nach 4 Tourtagen während wir auf einem Parkplatz auf die Fähre zurück von Dänemark warteten, hatten die Leute von CrunchyFrog die Nase voll und der ganze ŒDemosackŒ wurde auf den Parkplatz gekippt. Das war dann eigentlich die Idee zu "refused demo land".
Petter: Dieses Gebiet tauften wir dann "refused demo land". Weißt du wie das aussah? Es gab dort nichts außer den Autoschlangen. Es gab keine Bäume, nur eine Toilette und einen Colaautomat ­ aber nichts anderes. Du stehst dort nur rum und wartest und schaust Beton an. Genau das ist das "refused demo land", wo die Demos gelandet sind. Das war sehr beeindruckend für uns.
Ihr habt 1998 den Titelsong "mama, take me home to malmö" für den Soundtrack zum Film "blådårar" über Euern Heimatfußballverein Malmö FF geschrieben und 2002 auch für den zweiten Teil dieses Film einen Song "malmo if if" beigesteuert. Das legt die Vermutung nah, dass Ihr große Malmö FF-Fans seid?
Jens: Ja natürlich, wir mögen Malmö FF. In unserer Band ist jeder an Fußball interessiert. Zwar unterschiedlich stark, aber wir alle mögen den Verein und Sie mögen uns.
Petter: Ja, Fußball ist ziemlich populär in Malmö. 20.000 Leute kamen im letzten Jahr durchschnittlich zu den Heimspielen von Malmö FF. In Deutschland ist das vielleicht normal, aber hier bei uns ist das schon enorm viel.
Außerhalb Schwedens werden in Features und Artikeln in der Musikpresse über schwedische Bands fast immer britische und amerikanische Vorbilder als Vergleich herangezogen. Und auch in manchen Bandinfos ­ oder Biografien schwedischer Labels tauchen oft solche Sätze wie: "Sie klingen nach Band xyz aus England". Meiner Meinung nach entdeckt man aber nicht erst seit heute in den Sounds neuer junger schwedischer Popbands vielmehr die Zitate ihre vermeintlichen Helden aus Schweden wie z. B. The Bear Quartet, Eggstone, Bob Hund. Seht ihr das auch so? Und gab es damals für Euch, als ihr angefangen habt Musik zu machen, auch einheimische Vorbilder?
Jens: Eggstone hatte definitiv großen Einfluss auf uns. Petter hat früher auf Tour auch bei ihnen mitgespielt. Sie sind halt gute Freunde von uns und wir hatten für einige Jahre auch immer den Gitarristen von Eggstone bei unseren Konzerten mit dabei. Überhaupt war Eggstone für die ganze schwedische Popszene enorm wichtig ­ ebenso Bob Hund, mit dem wir auch oft gespielt haben. Andererseits denke ich, dass die Mopeds bei vielen Leuten ihre eigene kleine Nische haben und wie niemand sonst klingen. Vielleicht gibt es ja Vorbilder, aber wir versuchen es zu vermeiden, etwas zu zitieren oder kopieren.
Petter: Als wir begannen Musik zu machen, hatten wir eigentlich keine richtigen einheimischen Vorbilder. Wir begannen mit amerikanischem Rock.
Jens: Aber Eggstone und Bob Hund waren schon unsere Vorbilder.
Petter: Ja schon, aber sie waren nicht der Grund, warum wir angefangen haben, Musik zu machen. Beide Bands stehen definitiv in meinen Top Ten. Absolut. Aber sie waren nicht der Anlass für mich eine Band zu gründen.
Ihr seid in Malmö zu Hause. Und Malmö galt ja in den 90ern nicht zu letzt wegen Labels wie Soap (Snap) bzw. Vibrafon als eines der Zentren der Popmusik in Schweden. In den letzten Jahren hat aber diese Rolle im Süden meiner Meinung nach eindeutig Göteborg übernommen. Nun ist so eine kreative Rivalität zwischen Göteborg und Stockholm in Schweden hinlänglich bekannt. Existiert die auch zwischen Malmö und Göteborg?
Jens: Nein, Stockholm ist eben die Hauptstadt und so ist es doch in jedem Land: Der Rest des Landes wird sich immer gegen die Hauptstadt verbünden, ist es nicht so? Also bei Göteborg und Stockholm kann man auch nicht wirklich von einer echten Rivalität sprechen. Die Popszene in Göteborg ist von der in Stockholm beeinflusst und umgekehrt. Und das Gleiche gilt auch für Malmö. Zum Beispiel arbeiteten wir in unserem Studio gerade mit einer Band aus Malmö, die jetzt von einem Stockholmer Label gesignt wurde. Und das Label ist ziemlich glücklich darüber, dass es jetzt auch einen Kontakt zur Popszene in Malmö hat. Sie waren schon immer ziemlich neugierig auf uns, aber wir waren für sie halt immer so weit weg.
Meiner Meinung nach hat in der Vergangenheit die Popszene in Süd-Schweden gegenüber der in Dänemark immer eher so ihr eigenes Ding gemacht. Mittlerweile kommt es mir aber so vor, als ob sich Bands, Labels und Clubs vor allem in Malmö und Kopenhagen füreinander mehr interessieren als früher. Ist das so?
Jens: Ja! Seitdem es die Brücke gibt. Früher war es zwar auch nicht so weit, aber jetzt ist alles viel einfacher.
Petter: Es gab auch eine große Veränderung in der Einstellung. In Dänemark dachte man immer, dass Schweden das große Musikland ist, das alle international erfolgreichen Bands hat. Aber jetzt haben sie zu Recht dieses "kleine Bruderding" abgelegt. Ja, sie sind wirklich sehr im Kommen und sie machen das ziemlich gut.
Jens: Sie haben definitiv eine andere Herangehensweise an Musik. Und der Unterschied liegt nicht nur am dänischen Akzent. Es gibt mittlerweile eine richtige gute Szene dort.
In den letzten zwei, drei Jahren haben sich in Schweden sehr viele neue kleine Poplabels (so genannte CDR-Labels) gegründet, die Platten ihrer Bands sehr schnell mit relativ geringem Aufwand veröffentlichen ­ also kleine Auflagen meist nur auf selbst gebrannte CDRs, wie z.B.: Bedroom, Songs I Wish I Had Written, Smashing Time, Yellow Mica. Auf der anderen Seite veröffentlichen mittlerweile auch viele schwedische Bands ihre Platten im Ausland. Es hat ein wenig den Anschein, als ob in Schweden, durch das Überangebot an guten Bands und Musikern, mittlerweile neben dem Manko an Auftrittsmöglichkeiten und Clubs auch eines bei den Labels besteht! Ist das so?
Jens: Ja, du hast es getroffen. Es gibt eine große Lücke zwischen Majors und den CDR Labels. Wir haben keine größeren Indie-Labels mehr. Vor 2-3 Jahren hörte es einfach auf und jetzt gibt z. B. nicht mehr so viele Plätze, wo mittelgroße Bands spielen können. Es gibt auch keine Labels in dieser Größe. Aber wenn man in Malmö lebt, ist man ziemlich nah an Kopenhagen und wie schon gesagt in Dänemark explodiert die Szene gerade. Es gibt dort viele Auftrittmöglichkeiten. Jeder ist verrückt nach Musik und es gibt auch viele Labels in dieser Größe, die dich signen und deine CDs verkaufen wollen.
Petter: In 2 Jahren werden auch diese CDR Labels in Schweden größer sein. Es passiert zur Zeit schon sehr viel, und noch vor einem Jahr hätte ich gesagt, die schwedische Szene ist tot ­ zumindest hat es sich so angefühlt. Aber jetzt kommt viel neues, wie man an den CDR Labels sehen kann, die gute Arbeit machen, ein großes Publikum erreichen und deren Platten im Radio gespielt werden. Da beginnt gerade etwas Neues und in einigen Jahren wird es auch hier wieder so sein wie momentan in Dänemark.
Na ja. Für mich hört sich das ein wenig nach "Klagen aus dem Paradies" an, wenn man da beispielsweise an die Popszene hierzulande denkt. Zwar gab es Anfang der 90er in Schweden "nur" eine Hand voll einflussreicher Indie-Labels wie Soap bzw. Vibrafon, North Of No South oder A West Side Fabrication. Mittlerweile haben sich Labels wie Dolores, Service oder Labrador in der ersten Reihe vorgearbeitet und andere wie Imperial, Combat Disc, Licking Fingers, Hybris oder Rabid sind auf dem Sprung dahin ­ plus die vielen vorhin angesprochenen CDR-Labels. Die haben doch in den letzten Jahren die schwedische Szene enorm lebendig und spannend gemacht, oder?
Jens: Ja, definitiv. Das ist der neue Punk, diese Homecomputerding mit Vorreitern wie The Knife. Man hat ja auch immer wieder diese Erfolgsgeschichten wie bei José Gonzáles, dessen Demo ein Album und ein Bestseller wurde und bald Gold in Amerika bekommt. Seine Musik wird bald in Hollywoodfilmen erscheinen, das ist nicht schlecht für ein Demo. All das macht Hoffnung oder zeigt, dass es wert ist, Dinge zu tun, die man möchte, weil vielleicht andere kommen und es entdecken.
Petter: Es gibt jetzt viele erfolgreiche Labelmacher. Z. B. wird nächste Woche der P3 Award vergeben und es sind 5 oder 6 dabei nominiert, die ihr eigenes Label haben. Das ist schon ziemlich erstaunlich, sie verkaufen wirklich gut und sie sind große Künstler. Und da die großen Plattenfirmen keinen Mut hatten, machten die einfach ihr eigenes Ding und es funktionierte.
Schweden war in den vergangenen Jahrzehnten in vielen gesellschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Belangen Vorreiter in Europa. Als in den letzten Jahren die Musikindustrie in vielen europäischen Ländern vor allem aber in Deutschland sich selbst ins wirtschaftliche Abseits manövriert hatte und eigentlich noch bis heute in dieser Krise steckt, ging an Schweden dieser Kollaps weitestgehend vorbei ­ MNW (einer der größten schwedischen Vertriebe) mal ausgenommen. Jedenfalls haben die meisten Labels dort kaum Umsatzeinbrüche zu verbuchen. Hat Schweden auch hier wieder das bessere Model vorzuweisen? Liegt es eventuell an der enormen Quantität und Qualität einheimischer Bands? Oder an dem generell größeren kulturellen und musikalischen Interesse der Schweden? Wie seht Ihr das?
Petter: Also ich würde schon sagen, dass es auch hier eine große Krise gab, man sprach viel davon, die großen Labels hatten 2 Jahre ziemliche Angst. Sie signten nichts und viele Plattenläden mussten schließen. Also war es schon eine große Krise.
Jens: Ja, MNW ging völlig ein, soweit ich weiss. Andererseits gibt es auch genug Labels, die nach wie vor großen Erfolg haben. V2 z. B. oder Playground und Burning Heart. Aber ich denke nicht, dass Schweden kulturinteressierter sind als andere Leute. Ganz und gar nicht. Ich denke aber es ist hier weiter verbreitet selbst Musik zu machen. Viele Leute kommen schon als Kind mit Instrumenten in Berührung. Das hatte auch für unsere Generation eine große Bedeutung. Du konntest in der Schule schon eine Band als Schulfach gründen ­ z. B. anstelle von Deutschunterricht, so wie ich es getan habe. Und die andere Antwort ist ABBA. ABBA ist vielleicht kitschig, aber sie zeigten, dass schwedische Musik auch Leute außerhalb Schwedens erreichen kann. Es ist tatsächlich so, ob Du es nun magst oder nicht.
Als Betrachter von außerhalb hat man den Eindruck, dass es ­ anders als beispielsweise in Deutschland ­ in Schweden keine so eine strikte Trennung zwischen dem klassischen Indie-Label und den großen Plattenfirmen gibt. Zumindest wird man von der Indie-Szene nicht sofort verteufelt, wenn man als Band seine Platte bei einem Major rausbringt. Und auch einige Indie-Labels in Schweden, wie beispielsweise Dolores Records arbeiten scheinbar ganz gut mit der Industrie zusammen. Sehe ich das richtig, dass es in Schweden keine "Glaubensentscheidung" ist, auf welcher Seite man als Musiker oder Labelmacher steht?
Jens: Ja, das ist richtig. Vielleicht ist das hier weniger ein politisches Bekenntnis als in Deutschland. Man verkauft sich nicht, wenn man zu einem Major geht. Ausverkauf in Schweden würde eher heißen, wenn man beginnt so zu klingen ­ wenn man beginnt Kompromisse zu machen. Aber man wird nicht schief angeschaut, wenn man versucht, ein größeres Publikum zu erreichen. Wenn man sich selbst treu bleibt, ist das völlig in Ordnung. Man redet hier nicht so sehr über die Leute, die zu einem Major wechseln oder ihrem Indie-Label nicht "treu" sind.
Wer sind denn Eurer Meinung nach in Schweden momentan die angesagtesten bzw. die hoffnungsvollsten neuen Bands?
Jens und Petter: Animal Five. Und Helena Josephson. Sie spielt zusammen mit ihrem Freund bei der Band Sandy Mouche und wird mal eine richtige "Indie-Madonna".
Erlaubt mir zum Schluß noch eine Frage, die eigentlich nicht hier her gehört. Aber da Ihr ja einen sehr, sehr guten Draht zu Patrik Bartosch habt und Euch hier ein wirklich großer Eggstone-Fan gegenübersitzt muß ich sie einfach stellen. Wird es denn in absehbarer Zeit noch ein neues Eggstone-Album geben?
Jens und Petter: Ja, das ist die Frage. Und Sie mögen es überhaupt nicht, wenn man sie darauf anspricht. Man kriegt immer andere Antworten, je nachdem wen du fragst. Entweder: "Ja, wir nehmen gerade was auf.", manchmal: "Nein" und ein anderes mal: "Ja, in einem Jahr!". Als wir zu dieser Tour losfuhren, trafen wir zufällig Patrick an einer Ampel. Er fuhr gerade mit seinem Fahrrad und einem Takeaway-Kaffee in der Hand an uns vorbei. Wie riefen ihn daraufhin an und fragten ihn, ob er mit uns auf Tour kommen würde und er anwortete darauf mit der üblichen Geschichte. Er ist wie ein Zeitreisender. Er sieht immer noch so aus wie damals 1992 als er mit Eggstone die erste Platte veröffentlichte. Moritz hat gerade mit seinen Kindern und seinem Haus zu tun und Peer auch. Sieht wohl eher schlecht aus. Aber bei diesen Leuten weiss man ja nie.

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