The Lovekevins

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The Lovekevins

Interview: Aileen Ittner & Uwe Jähnichen

"The Lovekevins sind die schwedischen The Lucksmiths" - mit diesem Vergleich wurdet Ihr nach dem Release Eurer ersten EP einige male in den Medien (Fanzines/Internetblogs) vorgestellt. Und spätestens nach dem ich Euch zum ersten Mal live gesehen hatte (Popagenda/Stockholm 2005), konnte ich mich damals dieser Meinung nur Anschließen. Ihr habt das zu der Zeit aber bestimmt anders gesehen, oder?
Ola Lindefeld: Doch, so könnte man das schon sagen, zumindest was unsere Anfangszeiten betriffft. Die erste EP "blame the english" klang wahrscheinlich etwas nach dieser Zeit und war auch ziemlich von der 90er Jahre-Popmusik beinflusst... Also könnte man das für diese EP schon gelten lassen.
Vergleicht man Eure erste EP "blame the english" mit den nachfolgenden Lovekevins-Releases, so habt ihr Euch seit 2004 stetig vom klassischen Jingle-Jangle-/ Twee-Pop weg, hin zu elektronisch getragen Sounds entwickelt. Ihr habt so zu sagen die Snare-, Tambourine und Handclap-Rhythmus-Gruppe gegen den Sampler getauscht. Wie kam dieser Wandel zu Stande?
Ola Lindefeld: Ich denke das kam alles ziemlich instinktiv. Wir hatten einen Haufen Songs, die wir aufnehmen wollten. So eine Art Sammlung von altem Material aus der die "blame the english" EP wurde. Danach nahmen wir eine Life-EP auf: "max leon". Dadurch wurde unser Sound spontaner. Wir versuchten es so schnell und so direkt wie möglich umzusetzen. Von da an ging es in eine andere Richtung. Wir fanden Wege, zu improvisieren und ich denke das "vs the snow"-Album ist eine Collage von Improvisationen. Es hat immer noch Life-Einflüsse wie bei "me and the guitar". Wir kombinierten es mit anderen Ideen, die Fredric reinbrachte und kombinierten es auf eine neue Weise. Mit dem Album versuchen wir einfache Instrumente wie Gitarre, Trompete und Gesang auf eine neue Art zusammenzubringen. Es klingt nicht wirklich klassisch, aber unsere Herangehensweise, das Zusammenfügen ist klassisch und eher persönlich.
Ihr agiert mittlerweile als Trio. Ist das die Folge der zu Zweit eher schwierig umzusetzenden Liveauftritte?
Fredrik Hultin: Ja, wir brauchten das Schlagzeug definitiv für die Lifeauftritte, weil Livedrums und Programmdrums sich wesentlich voneinander unterscheiden. Livedrums fügen etwas hinzu ­ das ist was völlig anderes. Wir probten zweimal ohne Schlagzeuger ­ merkten dann aber schnell, dass wir unbedingt einen brauchen. Also riefen wir Barry an und er war dabei.
Ola Lindefeld: Als wir probten, fanden wir heraus, dass wir viel Wert auf den organischen Teil der Musik legen sollten. Deswegen brauchten wir das Lifeschlagzeug und obwohl das Album so elektronisch ist, gibt es ein organisches Gefühl hinter allem. Und weil die musikalischen Details der Platte nicht so präsent sind, wenn man life spielt, wollten wir genau darauf mehr Wert legen.
Es scheint, das ihr nicht unbedingt das Bedürfnis habt, nach Außen all zu viel persönliches Preis zu geben. Ihr mach nicht viel Aufsehen um Eure Person. Nirgends tauchen Eure Namen auf und so etwas wie eine ausführliche Bandbiografie hab ich auch noch nicht entdecken können, ganz zu schweigen von den mittlerweile inflationären Tour- oder Studio-Tagebüchern oder wöchentlichen Videobotschaften. Ich schätze mal diese Reduzierung auf das Notwendige ­ diese nicht Inszinierung ist gewollt, denn wenn ich mir Eure eher abstrakten Texte, oder aber auch die Cover Eurer Veröffentlichungen bzw. Eure bisherigen Webseiten in Erinnerung rufe, schwingt da immer eine sehr, sehr elegante und bewusste Simplifizierung/Einfachheit mit. Oder ist das etwa alles nur Zufall?
Ola Lindefeld: Wir waren von Anfang an darum bemüht, Musik nicht als eine Art Tagebuch, sondern mehr als eine Reise zu betrachten. Oft funktioniert Popmusik auf diese Tagebuchweise. Man sammelt Erfahrungen und will sie anderen mitteilen. Wir waren immer darum bemüht, etwas anderes als das anzubieten ­ im Sinne einer Wirklichkeitsflucht. Wir wollten etwas abstrakteres zeigen, als nur eine Berichterstattung eines Montagnachmittags. Wir sind dabei nicht auf die Realität fixiert. Wir wollen eher einen abstrakten Bericht von dem geben, was wir erleben. Und in dem wir uns selbst als Person weniger Raum geben, bekommen unsere Besonderheiten und unsere Geschichten mehr Platz. Natürlich sagt das auch etwas über uns und unsere Leben aus. Aber es ist immer noch stilisiert und das beantwortet vielleicht auch deine Frage betreffend der Zurückhaltung.
Was hat es eigentlich mit Euren Synonymen/Spitznamen "Blak" und "Wite" aufsich?
Ola Lindefeld: Ja, es gibt so eine Kultur in Malmö, wo wir leben und spielen, sich gegenseitig, Streetnames und Spitznamen zu geben. Also "Blak" und "Wite" sind nur weitere Spitznamen von uns, die wir für das Album verwenden wollten. Vielleicht behalten wir sie auch ­ zumindest für die nächste EP. Wir versuchen gerade etwas beständiger zu werden, was das anbetrifft.
Habt ihr noch andere Namen oder ist das topsecret?
Ola Lindefeld: Ja klar, Fredric ist "Wite" und wir nennen ihn auch den "Mansheff". Und außerdem auch noch manchmal "Legs" ...
Barry McDonald: Man sieht es jetzt nicht unter den Jeans, aber er hat tolle lange Beine. Die tollsten Beine in Schweden, na in ganz Skandinavien und vielleicht gerade auch in ganz Deutschland. Also das Musikding ist eigentlich nur Nebensache zu unseren Namensexperimenten ...
Also noch mehr Namen?
Ola Lindefeld: Ich habe einen Freund, der mich "Sound" nennt. Keine Ahnung was das bedeuten soll ... Barry heißt u. a. "Steward MacFace" wegen seiner Art Schlagzeug zu spielen und seinem schottischen Akzent. Aber in Schweden ist er der beste Mann am Schlagzeug. Nur wenn er in seine Schottenlaunen verfällt, hält man es nicht aus mit ihm ­ unmöglich!
War das schon immer so mit den Spitznamen? Ich höre das von Euch als Band zum ersten Mal?
Barry McDonald: Wir haben schon immer Spitznamen. Ich habe heute schon wieder einen neuen bekommen: "Onions". Und ihr habt eure Namen heute auch getauscht.
Ola Lindefeld: Die Sache ist, man kann sich den Namen nicht selber aussuchen. Man bekommt den Namen eben und muss es akzeptieren. Es begann eigentlich mit dem Lied "blak boy vs the snow". Von da an habe ich den "Blak Boy" als eine Art Alter Ego benutzt. Aber nicht durchgängig die ganze Zeit. Ich denke, es ist gut diese Namen als Charakterisierung zu haben.
Auf der ersten EP "blame the english" sind die Credits u. a. auch in Russisch geschrieben. Und dann ist ja da Euer der Titel "soviet.se" der zweiten The Lovekevins-EP "max leon". Habt ihr eine Affinität zur russische Sprache?
Ola Lindefeld: Also der "40% Lutsche"-Button ("40% besser") war eigentlich ein Missverständnis, es sollte eigentlich "40% billiger" heißen. Wir können halt leider kein Russisch...
Also euch gefallen eher die kyrillischen Buchstaben?
Ola Lindefeld: Ja, ja ...
Und warum die russischen Credits?
Ola Lindefeld: Wir hatten Credits auf der EP in Englisch, Französisch und Russisch. Wir wollten einfach dass es gut aussieht. Russisch findet man nicht so häufig in der Popmusik. Und die Art Musik die wir machen, wird sicher auch eher selten in Russland gehört. Außerdem sind wir sehr von Französischer Popmusik inspiriert. Ich habe eine Zeit lang in Frankreich gelebt. Eigentlich sind wir alle drei ziemlich verrückt nach Französisch.
Im Gegensatz zu Eurer (vermeintlichen) Introvertiertheit als Band, geht ihr bei der Vermarktung Eurer Musik wesentlich offensiver zu Sache. Immerhin habt ihr viele Eurer Songs als Free-Downloads in Netz gestellt. Spiegelt sich darin auch eine persönliche Haltung Eurer Musik gegenüber wieder? Geht es bei den Lovekevins mehr um den Spaß am Popmusik machen, als sich mit den Releases die Miete für den nächsten Monat zu verdienen?
Fredrik Hultin: Sowohl unsere Band, als auch unser Label haben ziemlich schnell bemerkt, dass man vom Platten verkaufen nicht leben kann. Selbst die großen Labels merken das ja mittlerweile. Unsere Idee war es, unsere Musik weiterzugeben, so dass sie gehört wird. Wir haben keine Ambitionen davon zu leben. Wir wollen dass die Leute sich unsere Musik anhören. Selbst wenn wir mal richtig groß werden sollten, würden wir von den Leuten kein Geld für unsere Platten verlangen. Also ich denke es ist in diesem Zusammenhang keine gute Strategie, zurückhaltend und konservativ zu agieren.
Ihr habt ja bislang Eure Platten (mal abgesehen von Eurer ersten EP "blame the english") bei dem schwedischen CDR-Label Songs I Wish I Had Written veröffentlicht. War bzw. ist das eine bewusste Entscheidung oder gab es bislang keine anderen Optionen?
Ola Lindefeld: Wir trafen den Chef von Songs I Wish I Had Written, nachdem wir uns mit anderen Labels getroffen hatten und fühlten uns mit ihm sofort als Person verbunden, mit der Art von Begeisterung, mit der er Musik herausbrachte. Und wir waren uns einig darüber, dass man neue Wege abseits von herkömmlichen Marketingstrategien finden muss, Musik an die Leute zu tragen. Er war sehr innovativ und kreativ diesbezüglich...
Ihr seid in Malmö zu Hause und die Stadt war ja Mitte der 90ern nicht zu letzt wegen Labels wie Soap und Vibrafon und der "Tambourine"-Studions eines der Zentren der Popmusik in Schweden. Ab ca. 1999/2000 wurde es aber zunehmend ruhiger um die Popszene der Stadt und neue spannende Bands kamen eher aus Göteborg, Stockholm oder aus dem Norden Schwedens. Erst in den letzten zwei, drei Jahren hat man wieder den Eindruck, das Malmö wieder mehr eine Rolle spielt. Profitiert die Stadt da einwenig von dem kurzen Weg nach Kopenhagen und dem Hype um die dänische Musikszene in den letzten Jahren. Oder habt ihr diese Entwicklung so gar nicht war genommen?
Fredrik Hultin: Die dänische Popszene? Keine Ahnung. Aber ja, Malmö hat sich in den letzten 5 Jahren enorm entwickelt in vielen kulturellen Bereichen ­ viele Menschen sind in den letzten Jahren nach Malmö gezogen. Vor allem sehr viele interessante Menschen. Also ist auch klar, dass mehr gute Musik aus Malmö kommt.
Ola Lindefeld: Die interessanten Leute hier ergreifen die Initiative. Im Moment herrscht hier ein sehr gutes Klima.
Barry McDonald: Das gute an Malmö ist, das alles sehr nah zusammen ist. Du kannst fast alles in fünf Minuten erlaufen. Außerdem gehen die Leute in der Stadt im Augenblick sehr frei mit Musik um. Alle guten Popbands spielen in Malmö ­ meist gemeinsam und man springt quasi von einer Band zur nächsten. Und so beeinflussen sich irgendwie alle gegenseitig.
Sicher nicht alle, aber durchaus sehr viele schwedische Musiker treiben sich mindestens noch in einer weiteren Band herum, haben weitere Projekte am Laufen oder helfen als Live- oder Studio-Musiker bei den Produktionen befreundeter Bands mit. Bei Euch ist mir nichts von all dem bekannt. Zählt ihr Euch eigentlich als Band oder persönlich eine Szene in Malmö oder Schweden zugehörig. Und haben die Lovekevins eine musikalische Vorgeschichte?
Ola Lindefeld: Ja, wir spielen auch noch bei anderen Bands. Fredric und ich haben im Moment ein Nebenprojekt namens Fredric. Außerdem habe ich einige Bands aufgenommen: z. B. The Je Ne Sais Quoi aus Stockholm. Wir teilen uns auch den Proberaum mit der anderen Band ­ Fria Konstellationen. Aber die machen wirklich keinen Pop. Eher Antipop. Musik ohne Melodien und ohne wiederholende Rhythmen.
Fredrik Hultin: Natürlich werden wir momentan auch von vielen Malmöer Bands beeinflusst. Wir besuchen gegenseitig unsere Konzerte, hören uns ihre neuen Songs auf Myspace an und gehen zusammen zu Parties. Es herrscht im Augenblick einfach ein gesundes Klima ...
Barry McDonald: So ein typisches Beispiel dafür war das "Inkonst"-Festival in Malmö vor einigen Monaten. Wir haben dort gespielt und an den anderen Tagen auch die meisten unser Freunde bzw. die Bands die wir mögen. Das ging eine Woche lang so. Alle hingen Backstage zusammen und jede spielte wann er wollte und was er wollte und mit wem er wollte. Diese Atmosphäre hilft natürlich der ganzen Popszene.
Ola Lindefeld: Eine der Bands, mit der wir stark verbunden sind, ist Vit Päls ­ eine neue Popband aus Malmö. Barry ist dort Drummer. Sie singen schwedisch und sind etwas schwer zu verstehen aber machen richtig gute Popmusik. Sie klingen so ein bisschen nach Hefner. Ein Guter LoFi-Act. Sehr spontan und sehr, sehr gut. Das sollte unbedingt als nächstes auf Radio Blau kommen. Sie haben auch einige englische Songs wie z. B. "loving you was crazy shit". Ein fantastischer Titel!
Wenn man sich mit schwedischen Bands und Musikern unterhält und ihnen gegenüber versucht seine große persönliche Faszination und Begeisterung über dieses Phänomen "schwedische Indie-Popmusik" zum Ausdruck zu bringen, dann hat man oftmals den Eindruck, das die meisten Schweden dies gar nicht als etwas Besonderes ansehen. Wieso ist das bei Euch eigentlich vielen Leuten gar nicht so bewusst, das in Schweden seit Mitte der 90er die Spannendste Popmusik entsteht, die in Qualität und Quantität weltweit seines Gleichen sucht. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht eine neue tolle Band entdecke. Das hat bei mir selbst in ihren besten Tagen die britische Popszene nicht geschafft ­ von der hier in Deutschland ganz zu schweigen ...
Ola Lindefeld: Sorry, wenn ich jetzt etwas theoretisch antworte. Aber es ist immer schwierig, sich der Kultur bewusst zu sein, in der man lebt. Man muss wahrscheinlich ins Ausland gehen um dann zurückschauen zu können, was eigentlich so passiert in Schweden und es zu realisieren.
Barry McDonald: Ich kann antworten, weil ich kein Schwede bin bzw. erst seit vier, fünf Jahren in Schweden lebe. Schweden sind generell sehr bedacht darauf, nicht zu laut zu sein. Wenn man ihnen sagt: "Eh, Du bist großartig" oder: "Das ist toll was du da machst", erwidern sie: "Nein, nein", "Was ich mache ist Ok, aber nicht großartig". Ähm, vielleicht kann ich die Frage doch nicht beantworten ...
Ola Lindefeld: Ein weiterer Grund ist sicher, dass schwedische Musiker schon immer im Ausland nach Einflüssen suchen. Die schwedische Musik hat Einflüsse aus Deutschland, England und USA. Wir holen sie uns von überall her.
Und welche deutschen Einflüsse habt ihr?
Ola Lindefeld: Ich mag The Notwist sehr ...
Fredrik Hultin: ... und auch Musik aus den 70ern wie Neu und Kraftwerk ...
Ola Lindefeld: ... und die Kitty Yo-Sachen ... Torococorot, Tarwater oder Lalipuna.
Barry McDonald: ... und natürlich auch deutsches Equipment. Das ist wirklich super!
Ihr habt als Schüler bzw. Jugendliche sicherlich auch von den oft gelobten sozial-kulturellen Errungenschaften Schwedens profitiert ­ also von dem sehr guten Musik-Unterricht in der Schule, von Bandförderungen und preiswerten Proberäume und Instrumenten. Wird oder hat es da unter jetzt unter der konservativen Regierung in Schweden schon Veränderungen diesbezüglich gegeben?
Ola Lindefeld: Oh ja. Ich denke, viele Leute fühlen sich von der neuen Regierung angegriffen. Es wird schwerer werden Geld zu bekommen. Normalerweise bekommt man Unterstützung sobald sich 3-4 Leute finden, die zusammen ein Musikprojekt machen wollen. Von dem Geld wird dann der Proberaum etc. bezahlt. Und da wird es in Zukunft definitiv Einschnitte geben und das wirkt sich dann natürlich auf die jungen Bands aus, die jetzt erst beginnen Musik zu machen. Ganz offensichtlich wird es Veränderungen geben.
Barry McDonald: Es wird mehr Protestsongs geben! Hoffentlich!

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